die ausstellung
: Hier geblieben

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Das ist einer dieser Sätze, dahingesagt wie ein Glaubensbekenntnis ohne Verstand. Denn in Wirklichkeit haben noch viel zu wenige Menschen begriffen, wie die Migration seit 1945 unser Land verändert hat: unser Denken und Aussehen, unsere Traditionen und die Alltagskultur. Wäre es anders, sähe auch die Einwanderungspolitik anders aus: offensiver, fantasievoller und von weniger Ressentiments durchsetzt.

Aber wie macht man den epochalen Umbruch in Deutschland sinnlich fassbar? Da wären zum einen die Zahlen. In den letzten sechzig Jahren wanderten rund 50 Millionen Menschen in den Westen der Republik ein, auf Dauer oder zumindest vorübergehend. Im Einzelnen: Zu den 14 Millionen Vertriebenen nach 1945 kamen ab 1955 rund 25 Millionen Arbeitsmigranten und deren Familien, über 4 Millionen Aussiedler, Millionen von Asylsuchenden und eine unbekannte Zahl von Illegalen.

Seit ein paar Jahren gibt es immer wieder Versuche, diese Zahlen in Ausstellungen pädagogisch aufzubereiten und visuell zu vermitteln. Die Ausstellung „Hier geblieben – Zuwanderung und Integration in Niedersachsen 1945 bis heute“ wandert durch das Bundesland. Mit Fotos, exemplarischen Lebensgeschichten und viel Text wird die Einwanderung in Niedersachsen dargestellt, wie sie von Fremden zu Einheimischen werden – falls die Gesetze dies zulassen.

Ein wichtiges Fundament der Ausstellung sind persönliche Erinnerungsstücke der Einwanderer – Koffer, Rucksäcke und Alltagskrimskrams. Die Zusammenstellung wirkt dabei ein wenig beliebig. Dies ist allerdings nicht den Ausstellungsmachern anzulasten, sondern der Tatsache, dass die Geschichtsmuseen dem Thema bislang zu wenig Aufmerksamkeit schenkten, die Sammelbestände somit noch sehr lückenhaft sind.

Die Fülle des Materials auf engstem Raum macht es dem Unkundigen schwer, für sich das Bild, den Text oder den Gegenstand zu entdecken, der für ihn ganz persönlich ein komplexes Thema erhellt. Aber die niedersächsische Ausstellung bleibt trotz mancher pädagogischen Mängel ein wichtiger Beitrag zur musealen Aufbereitung einer zentralen gesellschaftlichen Umwälzung der letzten Jahrzehnte. Kein Wunder, dass unter den Besuchern der Ausstellung, die bislang in Hannover lief, viele Migranten sind.

EBERHARD SEIDEL

Die nächsten Stationen der Wanderausstellung: 9. März bis 16. Juni 2003 Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück 29. Juni bis 10. August 2003 Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg 24. August bis 19. Oktober 2003 Bürgerhalle im Rathaus der Stadt Wolfsburg 2. November bis 25. Januar 2004 Braunschweigisches Landesmuseum 8. Februar bis 4. April 2004 Kreismuseum Syke 18. April bis 27. Juni 2004 Kreismuseum Peine 11. Juli bis 12. September 2004 Städtisches Museum Göttingen