Prozessende ganz ohne al-Qaida

Heute fällt das Urteil im Frankfurter Prozess gegen vier algerische Islamisten. Sie sollen Attentat in Straßburg geplant haben. Anklage forderte hohe Strafen, musste aber einen Vorwurf fallen lassen: Von Zugehörigkeit zu Terrornetz war keine Rede mehr

aus Frankfurt HEIDE PLATEN

Wäre alles nicht so ernst, hätte es sogar komisch sein können. Wenn der so genannte Frankfurter Islamistenprozess heute mit einem Urteil zu Ende geht, wird das eines der seltsamsten Terroristenverfahren gewesen sein, die je vor einem bundesdeutschen Staatsschutzsenat verhandelt wurden: ungewohnt locker im Ton, gelassen in der Verhandlungsführung mit aussagewilligen Angeklagten. Doch eigentlich ist gar nichts lustig daran.

Die Verhandlung hatte im Frühjahr 2002 begonnen und war als die weltweit erste Abrechnung mit Tätern der al-Qaida, des Netzwerkes Bin Ladens, angekündigt worden. Der Vorwurf: Vorbereitung des Mordes und Sprengstoffverbrechens. Die Gruppe habe ein Attentat auf den Straßburger Weihnachtsmarkt geplant. Fünf Männer waren am 26. Dezember 2000 in Frankfurt verhaftet, in zwei Wohnungen kiloweise Chemikalien beschlagnahmt worden. Die Bundesanwaltschaft forderte Freiheitsstrafen zwischen zehn und zwölfeinhalb Jahren, während die Verteidigung sich nicht festlegte, aber unisono verlangte, dass die Strafen deutlich geringer ausfallen müssten.

Die Sicherheitsvorkehrungen während des Prozesses waren martialisch: Betonsperren auf der Straße, Polizei mit Maschinengewehren, Sicherheitsschleusen an allen Eingängen.

Wäre das alles nicht so ernst, wäre es eine Lachnummer – und eine Schlappe für die Bundesanwaltschaft. Die ließ nämlich den ursprünglichen Vorwurf der Zugehörigkeit zur al-Qaida oder anderen terroristischen Vereinigungen aus verfahrenstechnischen Gründen unauffällig fallen. Einer der fünf Verdächtigten musste freigelassen werden. Doch aus der Anklage und den Aussagen der verbliebenen Angeklagten entwickelte sich ein Lehrstück über den Werdegang junger Männer in Kriminalität, Illegalität und politisch motivierten Terror. Drei Angeklagte berichteten über ihre eher primitive militärische und ideologische Ausbildung in einem Camp in Afghanistan. Als Motiv für ihre Aktionen nannten sie jedoch die Unterstützung des Kampfes der fundamentalistischen Algerier. Man habe der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich schaden wollen.

Die Angeklagten hatten sich im Herbst 2000 in Frankfurt getroffen und hätten unterschiedlicher nicht sein können. Da sind die beiden aus England eingereisten Algerier Fouhad Sabour (37) und Salim Boukhari (30). Beide wirken gebildet, beide legten Teilgeständnisse ab. Sabour wechselte während des Verfahrens vom westlichen Outfit zur sichtbaren Demonstration seines Glaubens über, der Bart wuchs mit Fortgang des Prozesses. Er wird in Frankreich der Teilnahme an Anschlägen auf Eisenbahnlinien beschuldigt. Der jüngere Boukhari, der, glaubt man ihm, nur halbherzig bei der Vorbereitung des Attentats dabei war und sich zurück nach seiner Frau in London sehnte, war der Verbindungsmann zu radikalen Londoner Fundamentalisten. Von ihnen bekam er Geld, Papiere, Kreditkarten und möglicherweise auch Anweisungen.

Dagegen wirkte der zunächst als Rädelsführer angeklagte Lamine Maroni (31) wie eine Nebenfigur. Er gebärdete sich von Anfang an als leicht durchgeknallter islamistischer Fanatiker, der das Gericht und die eigenen Verteidiger immer wieder als Ungläubige und Teufel beschimpfte. Zur Sache schwieg er, sein Tatbeitrag blieb unklar.

Die schillerndste Figur aber ist der Kleindealer Aeurobi Beandali (23), der mit seiner sprudelnden Aussagefreude immer wieder für Erheiterung und Verwirrung im Gerichtsaal sorgte. Er stilisierte die geplante Tat herunter. Man habe nicht den Weihnachtsmarkt, sondern die Straßburger Friedenssynagoge im Visier gehabt. Menschen hätten nicht verletzt werden sollen.

Einige Verteidiger wiederum machten geltend, dass die Gruppe ihre Tat, welche auch immer, gar nicht hätte ausführen können, denn sie sei von der Polizei überwacht und von Geheimdiensten infiltriert gewesen.