Misstrauen gegen Bush wächst

Der mächtigste Staat der Welt isoliert sich international. Auch Politiker und Experten in den USA warnen Bush vor den Folgen seiner Politik. Doch der Präsident zeigt sich der Kritik gegenüber immun

WASHINGTON taz ■ Seit rund zwei Wochen stößt US-Präsident George W. Bush mit seiner aggressiven Irakpolitik im In- und Ausland zunehmend auf Widerspruch. Der von Bush letzten Donnerstag als Befreiungsschlag gedachte Auftritt vor der Presse hat die USA noch tiefer in die Isolation getrieben.

Russland, Frankreich und China lehnen einen Krieg ab und drohen mit ihrem Veto im UN-Sicherheitsrat. Das türkische Parlament durchkreuzte zumindest vorerst US-Aufmarschpläne, indem es die Militärbasen des Landes nicht zur Verfügung stellt. Der Irak macht auf einmal wirklich Ernst mit Abrüstung, zerstört Raketen und bietet den Inspektoren an, den Verbleib von Biowaffen zu klären. Anstatt dies als Erfolg ihrer Politik zu verkaufen, spricht die Bush-Regierung von Täuschungsmanöver und fordert unbeirrt einen Regimewechsel.

An der Heimatfront meldet sich Bush senior zu Wort und hob in einer Rede die Bedeutung multilateraler Zusammenarbeit hervor. Er erinnerte daran, dass es 1991 nicht die wichtigste Aufgabe gewesen sei, Saddam Hussein zu stürzen. Die von den Medien anfangs verschwiegene Brandrede des dienstältesten US-Senators Robert Byrd vor dem Kongress, in der er schonungslos mit Bushs Außenpolitik abrechnet, wird plötzlich veröffentlicht. „Die Bilanz ist düster“, sagte Byrd. Ein Irakkrieg sei gegenwärtig nicht gerechtfertigt.

Bush zeigt sich gegenüber den anhaltenden Protesten in den USA unbeeindruckt und erzeugt damit den Eindruck, er habe das Gespür für die öffentliche Meinung verloren. Der in den Augen vieler Beobachter gefährlichere Konflikt mit Nordkorea bringt ihn zusätzlich in massive Erklärungsnöte: Warum soll in diesem Fall Diplomatie die Lösung bringen, während in Bagdad allein Waffengewalt hilft? „Nordkorea ist zurzeit die größte Bedrohung“, mahnte letzte Woche Exverteidigungsminister William Perry.

„Die Inkompetenz der Regierung ist atemberaubend“, schrieb angesichts dieser Entwicklungen der Boston Globe. Selbst die konservative Washington Post erkennt ein „wachsendes Misstrauen gegenüber den Motiven der US-Regierung“ und „die Unfähigkeit, zu belegen, warum der Irak eine immanente Bedrohung darstellt“. Die Demokraten nutzen die argumentative Schwäche der Bush-Regierung und gehen in die Offensive. „Ich glaube nicht, dass ein Krieg der beste Weg ist, Iraks Massenvernichtungswaffen zu zerstören“, sagte am Freitag die Fraktionschefin im US-Abgeordnetenhaus, Nancy Pelosi, vor dem Council on Foreign Relations. Bush habe es geschafft, die weltweite Symphatie für die USA nach dem 11. 9. völlig zu verspielen.

Nach Ansicht von Zbigniew Brzezinski, Sicherheitsberater unter Jimmy Carter, „steht nicht der Irak, sondern unsere globale Rolle auf dem Spiel“. Für E. J. Dionne, Kolumnist der Washington Post, stellt nicht die Friedensbewegung die größte Herausforderung für Bush dar, sondern erfahrene Außenpolitiker. „Für sie sind die letzten Monate seit der Verabschiedung der UNO-Resolution 1441 eine Zeit verschenkter Möglichkeiten, fehlgeschlagener Diplomatie und unnötiger politischer Provokationen.“

Es scheint jedoch, dass der innenpolitische Widerstand und die erbitterten weltweiten Proteste Bush nicht davon abhalten werden, in wenigen Tagen den Kriegsbefehl zu erteilen. Seine Antworten gegenüber Journalisten vergangene Woche haben gezeigt, dass er sich in historischer und religiöser Mission sieht, „Gottes Geschenk an die Menschheit“ auszuführen, und gegen irdische Kritiker immun ist. MICHAEL STRECK