schurians runde welten
: krank ist gesund

„Ich kenne meinen Körper und der sagt mir: Gegen Schalke bist du wieder dabei. Dieses Ziel ist in meinem Kopf ganz klar gegeben, auch wenn ich nicht genau weiß, ob es dann tatsächlich dahin langt.“ (Leonardo Dede)

Gestern Abend habe ich mein Wissen über Dialektik wieder auf den neuesten Stand bringen dürfen. Eine Wissenschaftssendung berichtete über Erkältungen und hochintelligente Schnupfenviren. Die dringen ein in die Nasenschleimhautzellen, reproduzieren sich vieltausendfach, zerstören die Zellwirte und lassen sich mit 150 Stundenkilometern aus dem Nasenkanal katapultieren.

Wie Pflanzensamen suchen sie nach neuen Opfern, überleben sogar im getrockneten Schleim von Taschentüchern. Gemeinsame Sache machen die Viren mit Bakterien, die sich auf die zerstörte Nasenschleimhaut setzen und Gifte absondern. Der Clou der Wissenschaftler? Wenn wir niesen, Fieber haben oder Kopfweh, sind wir nicht krank, sondern kerngesund, so die TV-Forscher. Hätten wir trotz Virenbefall weder Schnupfen noch Gliederschmerzen, wäre das ein ernstes Zeichen.

Mich hat das beruhigt, wochenweise wechseln sich bei mir Schnupfenviren und Hustenamöben ab. Beruhigen sollte das auch Borussia Dortmund. Die dialektische Schule lehrt ja, wer gesund ist, ist eigentlich krank. Und wer wie die Ballspielvereinigung Borussia derzeit versucht, sich viel Geld zu leihen, der strotzt vor Vitalität. Schlimmer geht es denen, die sich nicht um Finanzspritzen kümmern. Der gesunde Vereinskörper handelt – der kranke lässt die Dinge schleifen.

Noch ein Beispiel: Auch die bisweilen 15 dauerverletzten Dortmunder Profis sind ein Zeichen blühenden Lebens. Man stelle sich vor, die Dedes, Amorosos, Metzelders würden Fußball spielen – das Spiel der wüsten Tritte auf tiefen Böden – und sich dabei nicht weh tun?

26.1. Aachen - Nürnberg

Die Dialektik hält Trost bereit. Trost, den auch die Vereine brauchen können, die 2004 den Profireigen eröffnen müssen. Am Montag kommt es am Tivoli zum Zweitligaspiel, das nötig wurde, weil Nürnbergs Trainer beim Hinspiel in der 71. Minute von einem Becher am Kopf getroffen wurde.

Aber dass die Mannschaften noch einmal spielen müssen, verstehe wer will. Wäre es nicht gerechter, wenn nur Nürnbergs Coach Wolfgang Wolf und Aachens Jörg Berger gegeneinander antreten müssten? Noch einmal 90 Minuten auf der Bank, dann eine profunde und geistreiche Spielanalyse, zum Abschied ein Klaps auf den Hinterkopf und in der Kabine noch ein wenig vor sich hin poltern?

Was die Aachener Profis trösten wird: Die Vorbereitung ist vorbei. Traut man ihren Online-Tagebüchern aus dem Trainingslager im türkischen Belek, war es ganz schlimm: Alexander Klitzpera beschwerte sich über Urinale und viele Russen (30) in der Sauna. Eric van der Luer erlebte gar ein Kofferpacktrauma: Erst vergaß er sein Backgammon-Spiel, dann den Ausgehanzug, der erst hinein passte, als er die Socken im Backgammonkoffer unterbrachte. Dialektisch gesehen: ein gutes Zeichen.CHRISTOPH SCHURIAN