Jukebox

Der König ist tot. Für wenige nur hat er gelebt

Alejandro Escovedo darf hoffen. Seit langem leidet der Sänger an einer Hepatitis-C-Erkrankung. Jetzt bekommt er wohl die finanzielle Unterstützung für eine anständige Behandlung. Vermeldete am 18. Januar der deutsche Rolling Stone auf seiner Homepage. Alles Gute für Escovedo. Keine Meldung wert war dem Rolling Stone, dass in der Nacht auf den Sonntag, also am 17. Januar, Czesław Niemen gestorben ist. Nicht krank. Tot. Weiter westwärts, beim Musikportal allmusic.com, ist der Musiker noch nicht einmal geboren. Biografische Angaben fehlen bei der Stichwortsuche Niemen völlig. Nur auf eine Hand voll seiner Platten wird verwiesen.

Das Echo auf Niemens Tod in den hiesigen Medien war genauso verhalten wie bereits auf ihn zu seinen Lebzeiten. Gerade zweimal findet man ihn in der digitalen Ablage bei der taz, ein Artikel anlässlich eines Auftritts in Berlin 1991, dann eben die Notiz von seinem Tod. Verstorben an den Folgen einer schweren Krebserkrankung. 65-jährig. Der „König der polnischen Musik“. Man bekam also nicht so wenig von ihm mit, weil er keine Bedeutung gehabt hätte. Sondern weil er aus dem Osten kam.

Polen. Wie Ungarn, Tschechien und Slowakei. Alles Osten. Von hier aus gehört, nicht wirklich besiedelt. Die Weltmusikfraktion will es lieber gleich ein wenig exotischer. Der Osten, das ist der blinde Fleck in der Pop-Perspektive. Man hatte ja seine Gründe. Pop ist ein Ding aus den USA. Ein Ding aus England. Was sollte es einen interessieren, wie es im Ostblock/ in den Bruderländern schepperte? Konnte nur imitativ sein. Unsexy. Was in den meisten Fällen sogar stimmt. Vor „Dziwny jest ten świat“ aber, Niemens Hit aus den Mittsechzigern, wären auch die Musiker der Stax-Studios in die Knie gegangen. Großer, zerquälter Soul-Stoff. Schwermütiger später seine orgelquellenden Epen. Die man schon für sich hören muss. Denn Niemen-Gedächtnisrunden allerorten wie vor kurzem noch bei Johnny Cash stehen nicht zu erwarten. Dziwny jest ten świat, seltsam ist diese Welt.

Dabei sollte gelten: ex oriente lux. Auch aus dem näheren Osten. Wenn man hier nur mal auf den Schalter drücken würde.

THOMAS MAUCH