Konflikt des Gewissens

Am Samstag beginnt in Tunesien der Afrika-Cup. Dabei sind zahlreiche Spieler aus den europäischen Top-Ligen. Deren Klubs sehen die Kicker nicht immer gerne bei ihren Nationalmannschaften

AUS TUNIS OKE GÖTTLICH

Wenn Ende Januar die Bundesliga im kalten Deutschland beginnt, werden einige Profis neidisch nach Tunesien blicken. Dort wird von diesem Samstag bis zum 14. Februar der 24. Afrika-Cup (ein Großteil der Spiele ist live in Eurosport zu sehen) ausgetragen. Dem klimatisch auf den ersten Blick angenehmer erscheinenden Schaffen ging vielen afrikanischen Nationalspielern aus den europäischen Ligen allerdings ein schwerer Gewissenskonflikt voraus: Die Entscheidung, wichtige Saisonvorbereitungen oder Ligaspiele zu verpassen, um ihre Nation beim wichtigsten kontinentalen Turnier zu vertreten, ist alle zwei Jahre wieder eines der am kontrovers diskutiertesten Themen in der Branche.

Ein interessengeleiteter Konflikt zwischen den Vereinen, nationalen Verbänden und verunsicherten Spielern, der, ob der Terminierung des Turniers inmitten des Ligabetriebs, regelmäßig vom Fußball-Weltverband (Fifa) moderiert werden muss. Stellen die Bundesligavereine wie Kaiserslautern (Lucien Mettomo, Bill Tchato), Bochum (Delron Buckley), Freiburg (Soumaila Coulibaly), Hannover (Mohammadou Idrissou) und Schalke (Victor Agali) ihre Spieler ohne weiteres Aufsehen ab, erregte in der englischen Premier League jüngst der Fall des Top-Torschützen der Tottenham Hotspurs, Freddie Kanoute, die Gemüter. Der für Mali spielberechtigte Kanoute soll von seinem Club dermaßen unter Druck gesetzt worden sein, nicht am Africa-Cup teilzunehmen, dass Fifa-Präsident Joseph Blatter das Wort ergriff. In einer Kolumne für die englische Financial Times mahnte er die englischen Vereine, „von den verpflichteten Starspielern nicht verlangen zu können, auf ihre Länderspiele zu verzichten, wenn sie Teil des international koordinierten Spielplans seien“.

Kanoute wird den abstiegsbedrohten Spurs nun fünf bis sechs Punktspiele fehlen und derweil im fernen Tunesien für Mali an den Start gehen. Auch Arsenal London und die Bolton Wanderers konnten sich erst nach langen Diskussionen und in letzter Minute mit dem nigerianischen Verband über die Freigabe von Kanu und Jay-Jay Okocha einigen. Die Fifa sieht in ihrem Regelwerk eine Abstellung der Profis mindestens 14 Tage vor einem internationalen Turnier vor. Angesichts der 18 am Africa-Cup teilnehmenden Spieler aus der Premier League, die bereits früh im Januar wieder den Spielbetrieb aufgenommen hat, versuchten viele Clubs die Abreise ihrer Profis in die zeitgleich stattfindenden Trainingslager zu verhindern. Für Blatter bleibt dieses Verhalten zumindest kontrovers: „In der Vergangenheit haben die Premiership-Clubs nicht nur von der fußballerischen Qualität der afrikanischen Spieler profitiert, sondern auch aus ökonomischer Sicht.“

Die große Ehre der Afrikaner für ihr Land zu spielen, hebt der Fifa-Präsident gerade in Hinblick auf die „ominöse G 14, der Gruppe der reichsten Clubs in Europa“ hervor. „Gerade diese Vereine kaufen viele Talente aus Afrika, vergessen dann aber, dass sie meinungsfreudige Menschen und keine Kinder verpflichtet haben.“

Für viele Spieler ist es mitnichten so einfach, sich ihre Meinung zu bilden. Treten sie nicht für ihre Nationalmannschaft an, übt der nationale Verband zu Hause in Afrika Druck auf die im Land zurückgebliebene Familie aus. Ein gutes Verhältnis zum Gehalt zahlenden Verein wollen die Spieler aber auch nicht stören. Mit ihrem Gehalt unterstützen sie die nicht selten zehnköpfige Familie in ihrem Heimatland. „Der Gefahr, Spieler abzugeben, ist man sich bewusst, wenn man Afrikaner holt. Man muss sich auch klar darüber sein, dass eine ganze Großfamilie darunter leidet, wenn ein afrikanischer Nationalspieler sagt, er spielt nicht mehr für sein Land“, weiß Kaiserslauterns Coach Eric Gerets. „In Belgien ist das wirklich ein Problem. In Beveren spielen zehn bis elf Afrikaner. Wenn die alle Nationalspieler wären, konnte der Verein gar nicht mehr antreten.“ Dieser Gefahr setzt sich Kaiserslautern nicht aus. Der abstiegsbedrohte Club musste dennoch durch die Africa-Cup-Teilnahme der beiden Kameruner Abwehrspieler Bill Tchato und Lucien Mettomo den für den Sommer geplanten Transfer von Timo Wenzel vom VfB Stuttgart vorziehen.

Ähnlich lässt sich auch Hannovers Bemühung erklären, in Abwesenheit des Kameruner Stürmers Mohammadou Idrissou mit Tomislav Maric einen Stürmer vom Ligakonkurrenten aus Wolfsburg zu verpflichten. „Wenn die Spieler mit ihrer Nationalmannschaft weit kommen, wird es immer schwieriger, sie wieder in die Vereinsmannschaft zu integrieren. Es kann passieren, dass sie es monatelang nicht schaffen“, sagt Hannovers Sportdirektor Ricardo Moar.

Für den ehemaligen ghanaischen Nationalspieler und jetzigen Sportmoderator Anthony Baffoe gibt es nur eine befriedigende Lösung: Der internationale Terminkalender muss angepasst werden. Das Argument, dass im Sommer in Afrika kein Turnier stattfinden kann, will er nicht gelten lassen. „Das ist doch Blödsinn. Weltmeisterschaften werden doch auch in Mexiko gespielt. Ganz abgesehen davon, dass es auch einen regulären Ligabetrieb in den afrikanischen Ländern gibt. Was passiert denn, wenn die europäischen Vereine auf einmal sagen, wir verpflichten keine afrikanischen Spieler mehr?“, fragt Baffoe.

Dinalo Adigo und Michel Kamanzi kümmert dieses düstere Szenario nur am Rande. Die beiden Amateurspieler aus Schönberg und Betzdorf laufen selbstverständlich und ohne Probleme für den Benin und Ruanda beim Kontinentalturnier auf. Ihre Arbeitgeber schmücken sich damit, einen Nationalspieler im Kader zu haben.