Mageres Vorzeigeprojekt

Stark folkloristisch: Europäisch-mosambikanische Kooperation „Alma Txina“ auf Kampnagel

Es ist schon seltsam. Da wehrt sich ein in Europa präsentiertes Festival mit Tanz und Theater aus Afrika und dem Nahen Osten bereits im Vorfeld mit Händen und Füßen gegen einen möglichen Vorwurf, folkloristisch zu sein. Und just in dem Moment, in dem Europäer den Kreationsprozess zu verantworten haben, zeigt sich genau das, was der Kurator von „Polyzentral“ auf Kampnagel, Honne Dohrmann, vermeiden wollte: Folklore im Sinne von entseelter, Floskel gewordener Form.

Fünf Choreografen, Absolventen und Dozenten der Brüsseler Tanzschule P.A.R.T.S. gingen unter der Leitung der belgischen Choreografin Anne Teresa de Keersmaeker für zwei Monate nach Mosambik und arbeiteten dort mit Tänzern aus Maputos freier Tanzszene. In Workshops die technischen und künstlerischen Fertigkeiten der jungen Tänzer zu erweitern, war ein Anliegen des Alma Txina genannten Projekts. Ein weiteres war es, kurze Stücke zu erarbeiten und damit auf Tour zu gehen.

Zu Gast auf Kampnagel, erwies sich das Ergebnis als oberflächlicher Mix aus standardisierten Etüden zeitgenössisch-europäischer Tanzpraxis, garniert mit traditionell afrikanisch anmutendem Schrittmaterial. Vor allem das auf den ersten Blick so lässig hingeworfene Stück „Aalém“ der jungen belgischen Choreografin Isabelle Dekeyser war voll davon.

Am wenigsten hat sich noch der Schweizer Thomas Hauert von einer falsch verstandenen Kulturvermengung beirren lassen. Sein aus Trios aufgebautes Stück „Há mais“ spielt bei höchster Sensibilität auch mit der Idee von Manipulation. Doch insgesamt vermitteln diese Arbeiten wenig an substanzieller Aussage. Außer der, dass die Kids gut sein mussten. Schließlich wurden aus 100 Workshop-Teilnehmern die 16 Besten für die Tour ausgesucht. Und die jugendlichen TänzerInnen sind wirklich gut, zeigen Talent und wundervolle Bewegungsqualitäten.

Unter normalen Umständen würde man das Stück als bessere Schulaufführung abtun. Doch in diesem Fall war die Tournee-Absicht bereits Teil des Projekts, bevor überhaupt ein Stück fertig war. Und es verkauft sich angeblich gut. Stellt sich bloß die Frage, als was? Als ein erster, wenngleich wenig gelungener, Schritt einer interkulturellen Zusammenarbeit ist die Arbeit in einem Kontext wie „Polyzentral“ durchaus wert diskutiert zu werden. Als Vorzeigeprojekt – und als solches wird es gehandelt – ist es jedoch eindeutig kontraproduktiv.

Marga Wolff