Hip-Hop statt Rumhängen

Erziehung und Bildung gehören zusammen: Das Schulzentrum Koblenzer Straße in Osterholz-Tenever ist eine offene Ganztagsschule. Das Angebot für die SchülerInnen endet dort nicht mit dem letzten Klingeln

„Die Freizeitheime denken, dass wir ihnen die Arbeit wegnehmen“

taz ■ „Mann, das hat sich hier aber verändert.“ Der junge Mann, der in den Eingangsbereich des Schulzentrums Koblenzer Straße in Osterholz-Tenever tritt, erkennt seine alte Schule nicht wieder. Von außen immer noch der brutale Betonklotz, dem anzusehen ist, dass seit 30 Jahren kein Geld mehr in seine Instandhaltung gesteckt wurde.

Doch innen hat sich einiges getan: Ab 14 Uhr werden in der Eingangshalle die Tischtennisplatten, der Kicker und der Billardtisch runtergeklappt, eine bisher noch sehr kleine Bibliothek bietet von einer Buchhandlung gestiftetes Lesefutter – und wer will, kann im Aufenthaltsraum spielen oder einfach rumhängen und Musik hören. Die Koblenzer Straße ist eine offene Ganztagsschule, das heißt, die Kinder von der 5. bis zur 10. Klasse können nach dem Unterricht in der Schule bleiben und an AGs teilnehmen oder sich einfach nur die Zeit vertreiben, zum Beispiel im Computerraum mit Internetzugang.

Wer will, kriegt auch etwas Warmes zu essen, das Mittagessen kostet für SchülerInnen 1,50 und wird in der neu gebauten Mensa verdrückt. 265.000 Euro hat der Umbau der Küche gekostet, die Mittel dafür gab die Stiftung Wohnliche Stadt. 60 Kinder hätten in dem Speisesaal Platz – 40 werden dort zurzeit regelmäßig verköstigt.

Und gestern Vormittag fand dort das Pressegespräch statt, mit dem die SPD-Bürgerschaftsfraktion auf ihre Rundtour durch sieben bestehende und zehn noch einzurichtende Bremer Ganztagsschulen aufmerksam machen wollte. Prompt setzte es einen Rüffel von der CDU, die ihren Koalitionspartner wütend der untersagten Wahlwerbung an Schulen bezichtigte. Ihre Wahlbroschüren hatten Fraktionschef Jens Böhrnsen und die bildungspolitische Sprecherin der SPD, Ulrike Hövelmann, allerdings zu Hause gelassen.

Dafür informierten sich die beiden Genossen über den Stand der Dinge am Schulzentrum Koblenzer Straße und nutzten freudig die Gelegenheit, ihren Willen zum bildungspolitischen Wandel zu betonen. So dachte Böhrnsen laut darüber nach, ob nicht in der nächsten Legislaturperiode die Ressorts Bildung und Jugend stärker miteinander verknüpft werden müssten.

Die Ganztagsschulen jedenfalls brechen mit dem Prinzip, in dem Erziehung und Bildung zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Das Angebot endet nicht mehr nach der letzten Unterrichtsstunde, sondern bietet den SchülerInnen die Möglichkeit, sich weiter zu beschäftigen. „Das führt natürlich zu Konflikten mit den Freizeitheimen, die denken, wir nehmen ihnen die Arbeit weg“, sagt der Leiter des Schulzentrums, Gerd Menkens. Tatsächlich sind am Schulzentrum 15 BetreuerInnen beschäftigt – vom Informatik-Studenten und Übungsleiter des örtlichen Fußballclubs bis zum freiberuflichen Tänzer. Diese zusätzlichen Mitarbeiter bieten Nachmittagskurse an – Sprachkurse, Theater, Kabarett, Radrennsport. Außerdem gibt es drei Sozialpädagoginnen, die im offenen Freizeitbereich arbeiten oder bei Bewerbungen und Berufswahl helfen.

166.000 Euro stehen der Schule in jedem Jahr für diese Betreuer zur Verfügung, zusätzliche Lehrkräfte dürfen davon nicht bezahlt werden. Schließlich ist das Schulzentrum Koblenzer Straße auch keine Ganztagsschule in dem Sinne, dass dort ein verändertes Unterrichtskonzept erprobt würde. Im Problemstadtteil Tenever geht es vor allem darum, die Jugendlichen nach der Schule zu beschäftigen. 723 Schüler und Schülerinnen besuchen das Schulzentrum, 85 Prozent kommen aus Migrantenfamilien.

Schulsprecherin Havva Ay (16) ist froh über das Angebot: „Zu Hause habe ich ja sonst auch nichts zu tun.“ Jetzt macht sie Hip-Hop und nimmt Nachhilfe in Mathe. Eiken Bruhn