Buße ohne Schloss und Riegel

Jugendstaatssekretär lehnt die Einrichtung geschlossener Heime für kriminelle Jugendliche ab. Kripo-Experte fordert Jobs für Mehrfachtäter

von PLUTONIA PLARRE

Eigentlich hatten die Abgeordneten der CDU schon vor drei Wochen im parlamentarischen Innenausschuss „über die Maßnahmen des Senats zur Bekämpfung der Eskalation der Jugendkriminalität in Berlin“ diskutieren wollen. Dass der Tagesordnungspunkt verschoben worden war, sollte sich für die Konservativen als Glückfall erweisen. Denn so konnten sie gestern den Fall des nunmehr bekannt gewordenen 20-jährigen Serientäters Mahmout R., der seit seinem 11. Lebensjahr über 80 Straftaten begangen haben soll, zum Anlass nehmen, mit der Forderung nach geschlossenen Heimen für straffällige Kinder und Jugendliche aufzutrumpfen.

Der zu der Anhörung als Experte geladene Jugendstaatssekretär Thomas Härtel sagte jedoch klipp und klar, dass Berlin keinen Bedarf an derlei Einrichtungen habe. Der Grund: Ende der 90er-Jahre wurde schon einmal eine ähnliche Diskussion geführt. Die führte zur Zusammenarbeit mit einem sozialpädagogischen Wohnprojekt in Brandenburg, in dem Berliner Jugendliche fernab der Großstadt ohne Riegel und Gitter auf die rechte Bahn zurückgeführt werden können. Die Erfahrung mit dem Projekt mit 46 Plätzen, so Härtel, seien ausgesprochen positiv.

Aus der von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) vorgelegten Kurzzusammenfassung der Kriminalstatistik für 2002 geht hervor, dass von der von der CDU unterstellten „Explosion der Jugendkriminalität“ (CDU) keine Rede sein kann. Insgesamt ist die Kriminalität Jugendlicher um 1 Prozent angestiegen. Eine deutliche Zunahme ist allerdings im Bereich Jugendgruppengewalt erfolgt, insbesondere die Zahl der Raubtaten ist um 10,4 Prozent gestiegen. Bei dieser Tatverdächtigengruppe hat die Polizei erstmals untersucht, wie viele mit deutschem Pass einen Migrationshintergrund haben. Von rund 4.000 deutschen Tatverdächtigen waren nach Angaben des Präventionsbeauftragten der Kriminalpolizei, Winfried Roll, 21 Prozent nichtdeutscher Herkunft: Das heißt, sie sind Kinder von Immigranten aus der Türkei, dem Libanon, der ehemaligen Sowjetunion und Jugoslawien.

Großbritannien zeige, wie dem Problem beizukommen sei, sagte Roll, der bei der Anhörung auch zu den geladenen Experten gehörte: durch die Vermittlung von Arbeit, zum Beispiel Ferienjobs. In einer englischen Stadt hätten 5 Prozent der jungen Täter 40 Prozent aller registrierten Straftaten begangen. Die Kriminalität sei um 30 Prozent zurückgegangen, nachdem 50 Jugendliche entsprechende Angebote bekommen hätten.

Auch der Sport kann eine Maßnahme zur Kriminalitätsprävention sein, wie der Jugendbeauftragte des Landessportbundes, Heiner Brandi, gestern ausführte. Dies sei aber nicht immer der Fall. Insbesondere beim Fußball „gibt es Auswüchse der Gewalt“. Von 220.000 in den Verbänden organisierten Kindern und Jugendlichen hätten 16.000 keinen deutschen Pass. Bei Fußball und Kraftsport sei der Anteil der Nichtdeutschen am höchsten.