DIE PREISERHÖHUNG BEI DER BAHN IST FOLGE VERFEHLTER POLITIK
: Ungerechter Wettbewerb

Wenn ein Unternehmen die Preise erhöht, kann es nur selten mit dem Verständnis der Kundschaft rechnen. Wenn aber bei der Bahn die Preise für die Fahrkarten steigen, gibt es gleich einen öffentlichen Aufschrei. Kein Wunder: Es existiert kaum ein Konzern in Deutschland mit einem schlechteren Image. Dabei ist es nebensächlich, ob das Unternehmen seine Titel als Schrumpfbahn, Servicewüste, Geldverschwender, Bummelbahn oder Verspätungskönig zu Recht trägt oder nicht. Wer eine vermeintlich schlechte Leistung fürs Geld bietet, dem wird nicht nachgesehen, wenn diese Leistung gleich bleibt, der Preis dafür aber steigt.

Tatsächlich ist es nicht Aufgabe der Kundschaft, ökonomische Fachstudien zu betreiben. Der Reisende erkennt lediglich, dass Fliegen immer billiger, Bahnfahren dagegen teurer wird. Daraus zieht er die Konsequenzen – und steigt ins Flugzeug. Deswegen ist die angekündigte Fahrpreiserhöhung im Fernverkehr zunächst einmal eine Katastrophe. Sie wird der Bahn Kunden kosten, auch wenn im neuen Maximalpreis von 111 Euro für besonders lange Stecken eine Vergünstigung steckt.

Doch die Bahn AG ist ein Unternehmen, das Gewinne machen muss. Im Fernverkehr ist die Zahl der Reisenden in den letzten Monaten zwar gestiegen, doch die Preise sind tatsächlich gesunken. Bahncards, Frühbucherrabatt und diverse Sonderangebote haben dafür gesorgt, dass Bahnfahren im Durchschnitt aller verkauften Fahrkarten so günstig ist wie seit Jahren nicht mehr, auch wenn das kaum jemand glauben mag. 226 Millionen Euro betrug der Betriebsverlust im Fernverkehr allein im ersten Halbjahr 2003. Woher sollen zusätzliche Einnahmen kommen, wenn nicht von den Kunden? Solange die Bahn volle Mehrwertsteuersätze, Mineralölsteuer und Ökosteuer berappen muss, die Billigflieger aber keinen Cent auf ihr Kerosin zahlen, kann von gerechtem Wettbewerb zwischen beiden keine Rede sein. Die Preiserhöhung bei der Bahn ist so betrachtet auch Folge eines bewussten Handelns der Politik. Sie sollte deshalb still schweigen – und sich schämen.

KLAUS HILLENBRAND