EIN KLEINER SCHRITT IM FRIEDENSPROZESS INDIENS UND PAKISTANS
: Ein Durchbruch von vielen

Der Durchbruch kam im fünfzehnten Jahr des Bürgerkriegs in Kaschmir – eine Einigung zwischen Indien und Pakistan auf Friedensverhandlungen. Der Entscheid vom Jahresbeginn hat Folgen auch im früheren Ferienparadies, das den eigentlichen Zankapfel zwischen den Rivalen darstellt. Zum ersten Mal trafen gestern Vertreter der separatistischen Parteien Kaschmirs den indischen Innenminister Advani. Bisher bildeten sie eine gegenseitige Ablehnungsfront. Die 23 Hurriyat-Parteien weigerten sich ein Jahrzehnt lang, mit dem indischen Staat zu verhandeln, solange dieser insistierte, dass die Gespräche im Rahmen der Verfassung stattfinden müssten. Und Advani, der Hardliner in der nationalistischen Regierungspartei BJP, konnte nicht über diesen Schatten springen.

Das Treffen zwischen Vajpayee und Musharraf in Islamabad hat beiden nun auf die Sprünge geholfen. Die Frage, auf welche Flagge der Treueschwur geleistet werden soll, blieb ausgespart, genauso wie die Kernfrage: Autonomie, Sezession oder Anschluss an Pakistan? So wichtig die Antwort darauf ist – denn sie definiert den Konflikt –, so wichtig ist es, dass die Frage nicht jetzt beantwortet wird. Denn der Krieg mit 40.000 Toten muss nach fünfzehn Jahren zunächst zur Ruhe kommen, damit ein Dialog möglich wird.

Dies hängt aber nicht nur von den Regierungen Indiens und Pakistans ab. Noch immer operieren im Innern des indischen Teils von Kaschmir zwischen 2.000 und 3.000 Guerillas, mehr als die Hälfte von ihnen alte Afghanistankämpfer aus der islamischen Welt. Sie sind wohlversorgt mit Waffen und Kommunikationsgeräten und können auch ohne Nachschub, gegen die Stallorder aus Pakistan, den Konflikt weiterführen.

Auch die Hurriyat ist gespalten. Seit einem halben Jahr boykottieren die propakistanischen Fraktionen die Koalition und überlassen das Feld den Parteien, die für ein unabhängiges Kaschmir einstehen. Sie haben auch die Gespräche mit Advani zurückgewiesen. Die erste Runde am Donnerstag war ein Durchbruch. Aber die UNO verzeichnet in ihren Büchern Kaschmir als ältesten Gewaltkonflikt seit ihrer Gründung. Um ihn zu lösen, braucht es noch viele Durchbrüche. BERNHARD IMHASLY