Polens Ex-Premier wieder auf hohem Posten

Jozef Oleksy, der vor neun Jahren über Spionage-Vorwürfe stolperte, wird neuer Vize-Premier und Innenminister

WARSCHAU taz ■ Neun Jahre nach einem spektakulären Spionageverdacht ist der ehemalige polnische Ministerpräsident Jozef Oleksy zurück an der Macht. Er wird neuer Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident Polens. „Der Coup ist dem Regierungschef gelungen“, kommentierten am Dienstagabend die ersten Politiker die überraschende Ernennung Oleksys zum Innenminister.

Der 57-jährige Vollblutpolitiker gilt als schärfster Kritiker und Rivale Leszek Millers um Macht und Einfluss. Dass Miller nun ausgerechnet seinen parteiinternen Gegner an seine Seite hole und zum zweitwichtigsten Mann in der Regierung mache, sei ein geschickter Schachzug, meint auch der Kommentator der Tageszeitung Rzeczpospolita. Zum einen bringe Miller mit der Umarmungsstrategie Oleksy zum Schweigen, da dieser nun ebenfalls in der direkten Regierungsverantwortung stehe. Zum anderen könne er nun sagen, dass er schließlich alles getan habe, um Partei und Regierung gesunden zu lassen.

Jozef Oleksy hatte 1995 als Ministerpräsident zurücktreten müssen, nachdem ihm sein eigener Innenminister Andrzej Milczanowski vorgeworfen hatte, über viele Jahre hinweg für die Sowjetunion spioniert und dort zuständige Stellen mit Staatsgeheimnissen versorgt zu haben. Auch noch im Jahre 1995 soll er noch immer Kontakt zu seinem russischen Führungsoffizier gehalten und mit ihm von Zeit zu Zeit Tennis gespielt haben. Oleksy erklärte zwar seine Unschuld, doch es glaubte ihm kaum jemand. Der militärische Abschirmdienst nahm die Ermittlungen auf. Jahre später wurde das Verfahren ergebnislos eingestellt. So ist bis heute nicht ganz klar, ob an den Vorwürfen etwas dran war oder ob sie aus der Luft gegriffen waren.

In den letzten Jahren hat sich Oleksy, der auch stellvertretender Parteivorsitzender des Bündnisses der demokratischen Linken (SLD) ist, intensiv mit dem Beitritt Polens zur EU beschäftigt. Er war Vorsitzender des Europa-Ausschusses im Parlament und vertrat Polen gemeinsam mit der Europaministerin Danuta Hübner im EU-Verfassungskonvent in Brüssel.

Er tritt nun die Nachfolge Krzysztof Janiks an, der wiederum zum SLD-Fraktionsvorsitzenden ernannt wurde, nachdem Jerzy Jaskiernia wegen eines Korruptionsskandals gehen musste. Jaskiernia, der die Vorwürfe gegen ihn zurückweist, will nun EU-Parlamentarier in Brüssel werden.

Oleksy, der sich über die Jahre im In- und Ausland wieder großes Ansehen erwerben konnte, soll nun helfen, die postkommunistische Partei vor dem völligen Machtverlust zu retten. Korruptionsaffären und Unfähigkeit haben die SLD auf einen Tiefpunkt von 19 Prozent Wählerzustimmung sinken lassen.

Ausgerechnet jetzt steht auch noch die Verabschiedung des unpopulären Sparprogramms des Wirtschafts- und Arbeitsministers Jerzy Hausner an. Tatsächlich ist es aber Oleksy, der mit Fistelstimme und Glatze die Ausstrahlung eines guten Onkels hat, zuzutrauen, dass er seine Werbung für das „Wir müssen den Gürtel noch mal enger schnallen“ diesmal tatsächlich an den Mann und die Frau bringt. Einer der Witze, die man sich derzeit über Oleksy in der polnischen Hauptstadt Warschau erzählt, geht so: Setzt sich Oleksy ins Taxi. „Wohin?“, fragt der Taxifahrer. „Egal“, antwortet Oleksy, „fahren Sie zu. Ich werde überall gebraucht.“

GABRIELE LESSER