Momper fesselt SPD-Fraktion

Große Koalition samt Liberalen kippt mit „Ersatzantrag“ den Grünen-Vorstoß zur Tilgung des Reichspräsidenten Hindenburg aus Ehrenbürgerliste. Grüne: „Politischer Fehlgriff“

Als wenig lernfähig, historisch uneinsichtig und trickreich dazu hat sich am Montag eine Koalition aus SPD, Union und FDP erwiesen und damit dem früheren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847–1934) den Verbleib auf der Ehrenbürgerliste Berlins gesichert. Nach wochenlangem Streit über die Ehrenbürgerschaft blieb ein Antrag der Grünen-Fraktion im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses ohne Abstimmung. Um einer Blamage zu entgehen und sich nicht offen für den erzkonservativen Militär und Wegbereiter des Naziregimes aussprechen zu müssen, legten SPD, CDU und FDP stattdessen einen gemeinsamen „Ersetzungsantrag“ vor, mit dem der Grünen-Vorstoß vom Tisch gewischt wurde.

Nach dem Beschluss soll eine Kommission nun Regeln über den „zukünftigen Umgang mit der Ehrenbürgerliste“ formulieren. Hindenburg dagegen wird nicht getilgt. Abgeordnete der Grünen warfen den drei Parteien einen „politischen Fehlgriff“ vor. Auch die PDS sprach sich gegen Hindenburg aus, enthielt sich aber bei der „Ersetzungs“-Abstimmung.

Bereits Ende Januar hatte die SPD die Zustimmung zu dem Tilgungsantrag und eine Mehrheit mit Grünen und PDS verweigert. Hintergrund bildete der Vorstoß von SPD-Parlamentspräsident Walter Momper, der an Hindenburgs Ehrenbürgerschaft festhalten will. Seither arbeiteten SPD, CDU und FDP an ihrem „Ersetzungsantrag“ mit dem Ziel, den Grünen-Antrag außer Kraft zu setzen, und an der paradoxen Kompensation durch „zukünftige“ Ehrenbürgerregeln.

Die Ehrenbürgerliste sei historisch gewachsen, begründeten Sprecher der SPD den Gegenantrag. Sie spiegle die „politischen Brüche der Geschichte Berlins“ wider. Ein Eingriff in die Liste sei nur dann ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn die Aufrechterhaltung der Ehrenbürgerschaft „heute schlechthin unerträglich“ wäre.

Nichts geholfen hat auch der Auftritt des Historikers Heinrich August Winkler (HU) im Ausschuss. Nach dessen Ausführungen, rekapitulierte der grüne Abgeordnete Cramer, war Hindenburg am 20. April 1933 gemeinsam mit Hitler zum Ehrenbürger Berlins und 4.000 weiterer deutscher Städte „belobigt“ worden. Laut Winkler hat der General den Nazis den „Weg in die Diktatur geebnet“ und mehrfach das Recht gebrochen. Spezifische Verdienste für Berlin, formale Bedingung für jede Ehrung, aber „fehlen“.

Die Pro-Hindenburg-Fronde, so Cramer, stehle sich damit aus der Verantwortung. Die Sozialdemokraten seien offensichtlich von der „Argumentationskette“ Walter Mompers „gefesselt“, sagte die grüne Ausschussvorsitzende Alice Ströver. Ströver will nun von der juristischen Abteilung des Landtags die Rechtmäßigkeit des Ersatzantrags prüfen lassen.

ROLF LAUTENSCHLÄGER