Letzter Galopp Richtung Frieden

Am Tag vor der entscheidenden UN-Sicherheitsratssitzung machen Friedensaktivisten in Berlin noch einmal mobil. Die Vorbereitungen für den Tag X laufen auf Hochtouren

von JULIANE GRINGER
und STEFAN WELLGRAF

Am Tag vor der entscheidenden Sitzung des UN-Sicherheitsrates sind viele Berliner noch einmal auf die Straße gegangen, um gegen einen drohenden Krieg gegen den Irak ein Zeichen zu setzen. Bei der traditionellen Montagsdemo zogen etwa 600 Teilnehmer von der Humboldt-Uni bis zum Brandenburger Tor. In der vorigen Woche waren es noch weniger als 200 gewesen. Auf Reden zum Auftakt verzichteten die Veranstalter dieses Mal. Dafür hatte sich gestern eine Gruppe von Trommlern unter den Demonstranten eingefunden, die den Zug lautstark begleiteten. Die Abschlusskundgebung fand unter der Beobachtung von vielen Fernsehkameras unter der Viktoria der Quadriga statt, die gestern Morgen von Greenpeace-Aktivisten als Blauhelmsoldatin verkleidet worden war. Parallel dazu war im Deutschen Theater ein Aufruf von über 900 Schriftstellern, Künstlern und Wissenschaftlern vorgestellt worden, die einen Irakkrieg als „vökerrechtswidrig“ bezeichnen.

Von der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat heute wird eine Entscheidung über Krieg oder Frieden erwartet. Viele Initiativen, ob „Achse des Friedens“, „Gegeninformationsbüro“ oder „Kreuzberg gegen Krieg“ – haben deswegen ihre Vorbereitungen für Aktionen am Tag des Kriegsbeginns, dem so genannten Tag X, verstärkt. Bis zum Ende der Woche sollen die letzten Flyer gedruckt sein und noch mehr Helfer und Technik organisiert. Wenn der Tag X kommt, muss schnell reagiert werden, sagt Michael Prütz vom Bündnis „Kreuzberg gegen Krieg“. Er kann sich vorstellen, dass es schon am Wochenende zu einem US-Angriff gegen den Irak kommen könnte.

Das Bündnis wird sich dann wie auch die Veranstalter der Montagsdemo der am Tag X geplanten Demo um 18 Uhr vom Kottbusser Tor aus anschließen. „Wir kleben Plakate, verteilen Flugblätter, sind im Kiez unterwegs und reden mit den Leuten“, beschreibt Prütz die gegenwärtigen Vorbereitungen. Er erwartet eine große Resonanz, auch wenn „die Aktionen wahrscheinlich nicht mit dem 15. Februar mithalten können. Aber es wird sicher wieder viel los sein“. In Gesprächen mit den Menschen auf der Straße hat er festgestellt: „Die Stimmung ist kämpferisch.“ Selbst am Tag des Kriegsausbruchs werde noch für die Demo geworben – vor Schulen und in U-Bahnhöfen.

Das „Gegeninformationsbüro“ plant für das entscheidende Datum eine Spontandemo gegen eine Beteiligung Deutschlands am Irakkonflikt zur SPD-Zentrale am Halleschen Tor. Es hat außerdem einen Jingle als Protestmaterial produziert, der im Internet zum Download bereitsteht (www.gegeninformationsbuero.de). Jeder soll am Tag X die Musik auflegen und die Fenster aufreißen, wünschen sich die Aktivisten. Die „Achse des Friedens“, ein Friedensbündnis in Berlin, bereitet für den Tag des Angriffs auf den Irak eine Kundgebung am Alexanderplatz vor.

Wie schon während des Angriffs auf Afghanistan wollen die Berliner „Schüler und Schülerinnen gegen den Krieg“ auch im Falle eines Irakkriegs auf der Straße präsent sein. Sie rufen für den ersten Schultag nach Kriegsbeginn zu einem Schulstreik auf, um zu demonstrieren. Während des Golfkriegs 1991 waren dem gleichen Aufruf 30.000 Schüler gefolgt. Bisher hätten schon viele Pennäler „zugesagt, am Tag X dabei zu sein“, so Doreen Ullrich von „Schüler und Schülerinnen gegen den Krieg“. Und sie verspricht: „Wir werden viele an den Schulen abholen und gemeinsam losgehen.“

Schon um 10 Uhr morgens könnten von Berlin aus am Tag X auch Darmgeräusche ein Zeichen setzen. Die Kundgebung „Pupsen für den Frieden“ will sich unter dem Motto „Wir scheißen auf Deutschland“ wortgewaltig und nicht geruchsneutral am Kottbusser Tor versammeln.

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