Naherholung am Giftberg

In Kirchsteinbek soll in Nähe eines Wohngebiets kontaminierter Hafenschlick deponiert werden. Eine Bürgerinitiative wehrt sich gegen die Belastung Stadtteils, der ohnehin benachteiligt sei

Von MARCO CARINI

Die einen nennen es „Aktive Stadtteilentwicklung“, die anderen schlicht „Giftberg“. Die Planung der Hamburg Port Authority (HPA), in Billwerder / Kirchsteinbek kontaminierten Hafenschlick zu deponieren und den Giftberg anschließend in ein Naherholungsgebiet umzuwandeln, stößt bei Teilen der Anwohner auf Widerstand.

Am heutigen Mittwoch werden Vertreter der Bürgerinitiative „Kein Schlick in Billstedt“ vor dem Hamburger Rathaus ihren Wahlkreisabgeordneten kleine Schlickpäckchen überreichen – aus Protest gegen die Baggergut-Deponierung in ihrem Stadtteil. Am Freitag kommender Woche soll eine Demo gegen die giftige Fracht stattfinden.

Geplant ist die Schlickhalde auf einem 42 Hektar großen Areal, das an die B 5 (Bergedorfer Straße) und die A 1 grenzt. Auf dem heute größtenteils bewaldeten Gelände wurden bereits 1959 und 1982 belastetes Baggergut und Industrieschlämme deponiert. Das Betreten der Altdeponie – die nur 50 Meter von der angrenzenden Wohnbebauung entfernt liegt – ist verboten, da selbst die oberflächennahen Böden verseucht sind.

Nun will die HPA auf der Deponie zwischen 2012 und 2025 rund drei Millionen Kubikmeter kontaminierten Hafenschlick verklappen. Anschließend sollen auf dem dann gut 35 Meter hohen Giftberg 2,5 Meter unbelasteter Boden aufgetragen und die Deponie zum Naherholungsgebiet umgewandelt werden.

Nach Auskunft des Senats sollten die vorbereitenden Maßnahmen für die Errichtung des Spülfeldes noch in diesem Monat beginnen. „Wir werden demnächst einen dementsprechenden Auftrag erteilen“ kündigt HPA-Sprecherin Christiane Kurth an. Der konkrete Beginn der Arbeiten sei aber noch nicht „terminiert“. Die HPA will das Gelände teilweise roden lassen, um anschließend mit 95 Probebohrungen die Bodenbeschaffenheit und den Kontaminationsgrad zu überprüfen. Danach soll das Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden.

In einem Offenen Brief an Umweltsenatorin Anja Hayduk (GAL) beklagt die Billstedter Bürgerinitiative, der „sozial und ökologisch benachteiligte Stadtteil“ erhalte nun „die einzige Schlickdeponie Hamburgs, die in unmittelbarer Nähe eines dicht besiedelten Wohngebietes liegt“. Obwohl der schwarz-grüne Koalitionsvertrag festlege, dass mögliche Alternativen zur Baggergut-Unterbringung in Kirchsteinbek „ergebnisoffen geprüft“ werden sollen, würden mit der Abholzung und den Probebohrungen nun „Fakten geschaffen“.

Rückenwind erhalten die Billstedter Protestler von der Hamburger SPD, deren Umweltexpertin Monika Schaal vor allem „gewässer- und naturschutzrechtliche Bedenken“ gegen die geplante Schlickdeponie hegt. Für Schaal ist eine aktuelle Senatsantwort auf eine SPD-Anfrage zum Thema „in vielen Punkten unzureichend“ und „verharmlosend“. So würde durch die „Presswirkung“ der geplanten Schlickmassen das Grundwasser gefährdet, die giftigen Frachten der Altdeponie würden in Richtung der Grundwasseradern gedrückt. Zudem müsse das Gebiet geschützt werden, da hier seltene Vogelarten wie Wachtelkönig und Eisvogel leben und auch seltene Orchideenarten wachsen.

Die Bürgerschaftsabgeordnete der Linken, Elisabeth Baum, konstatiert eine „beängstigende Nähe der in Kirchsteinbek lebenden Menschen zur geplanten Schlickdeponie“. Das Problem sei nicht nur die Gewässerverunreinigung. Durch die Baggerguttransporte, so ihre Befürchtung, könnte auch die Verkehrsbelastung zunehmen.