Milchpreis ist zum Mäusemelken

Die Bauern stehen wegen sinkender Milchpreise mit „dem Rücken zur Wand“. BUND-Studie belegt, dass deshalb auch die Agrarwende scheitert. Verbraucher in der Pflicht

BERLIN taz ■ Klasse statt Masse. Das sollte die von Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) gepriesene Agrarwende bringen. Schön gesagt. Nur offenbar wird Klasse nicht immer erstklassig bezahlt. Die deutschen Milchbauern leiden unter niedrigen Milchpreisen. Die Biobetriebe trifft der Preisverfall besonders hart. Eine Preis- und Qualitätsspirale nach unten, warnte gestern der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) auf der Grünen Woche.

Im September 2003 zahlten die Molkereien den Bauern im Schnitt nur noch 29 bis 31 Cent pro Liter Biomilch. Schon seit Mitte 2001, als es noch rund 40 Cent gab, fallen die Preise. Laut BUND sank der Aufschlag, den Biobauern auf den konventiellen Milchpreis für ihre höheren Produktionskosten bekommen, um 20 Prozent. Pro Liter gehe es dabei zwar nur um Centbeträge. In der Summe habe das aber erhebliche Auswirkungen.

Die Erträge der Biobauern sinken, während die Mehrkosten des ökologischen Landbaus gleich bleiben. „So kann es nicht weitergehen. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagt denn auch Biobauer Gyso von Bonin. Der Bauer aus Körtlinghausen im Sauerland hat 2003 rund 5 Cent weniger für den Liter Milch bekommen als noch vor zwei Jahren. Die 10.000 Euro Unterstützung für seinen ökologischen Landbau, die er 2003 vom Land Nordrhein-Westfalen bekommen hat, wurden vom Preisverfall komplett aufgefressen. Von Bonin musste inzwischen sogar Biomilch, für die er keinen Abnehmer mehr fand, als konventionelle verkaufen. Natürlich auch zu den niedrigeren Preisen.

Gyso von Bonin gehört zu den Ökobauern, die ihrem Ärger im vergangenen Jahr Luft gemacht haben. Zwei Tage lang hat er sich mit anderen Landwirten geweigert, seine Molkerei zu beliefern. Stattdessen wurde die Milch auf dem Hof an Besucher verschenkt. „Die Aktion sollte nicht die Molkerei treffen“, sagt von Bonin, „sondern öffentlich machen, dass unsere Arbeit nicht wertgeschätzt wird.“

Der BUND macht vor allem die Marktmacht der Billigsupermärkte wie Aldi und die Milchüberschussproduktion in der Europäischen Union für die gesunkenen Milchpreise verantwortlich. Der Preisverfall auf dem Milchmarkt erhöhe den Zwang für die Landwirte, die Leistungen ihrer Kühe weiter zu steigern. Der Einsatz von Antibiotika und gentechnisch verändertem Futter sowie die Züchtung mit Hilfe von Hormonen seien die Regel. Bäuerlichen Betrieben mit artgerechter und ökologisch sinnvoller Weidehaltung drohe das Aus.

„Die Milchquote muss zur Stützung der Preise wieder gesenkt werden“, forderte deshalb Hubert Weiger, agrarpolitischer Sprecher des BUND, gestern auf einer Pressekonferenz auf der Grünen Woche in Berlin. Mit Blick auf den Konsumenten sagte Weiger: „Die Verbraucher sollten daran denken, dass glückliche Kühe und abwechslungsreiche Landschaften nicht für 40 Cent pro Liter Milch zu haben sind.“ MICHAEL SITTIG