Natürliches Misstrauen

Schriften zu Zeitschriften: Mit „safe“ kommt nun das erste „Info-Magazin für private Sicherheit“ auf den Markt

„Nichts ist sicher, Norma.“ (Dale B. Cooper in „Twin Peaks“)

Die Welt ist ein verdammt komplizierter Ort geworden. Sie steckt voller Gefahren, Gangster und Ganoven, Nepper, Schlepper und Bauernfänger. Allein schon ein harmloser Urlaubstrip kann zum Alptraum werden: „In Spanien operieren beispielsweise so genannte Reifenstecher. An einer Ampel wird das Opfer abgelenkt, während ein Komplize unbemerkt einen Autoreifen zersticht. Ein Komplize bietet Hilfe beim Reifenwechsel an und lenkt den Geschädigten fleißig ab. Der Reifenstecher kann das Auto inzwischen ungestört ausrauben.“

Aber auch zu Hause lauern Tod und Teufel: „In Mehrfamilienhäusern gehören Hauseingangstüren oder offene Kellertüren und -fenster zu den heißen Ecken. Ist ein Verbrecher erst einmal im Haus, hat er leichtes Spiel, weil tagsüber viele Wohnungen verlassen sind.“ Und dass dann auch noch das Bier in Weißglasflaschen zu stinken anfängt, „wenn Licht drankommt“ („Grund: Unter den UV-Strahlen des Tageslichts entwickelt sich ein Stoff, den auch das Stinktier als Waffe einsetzt“), ist zu viel!

Aber keine Angst, mit der Gefahr wächst bekanntlich auch das Rettende: 82 Seiten stark, 4,60 (!) Euro teuer und ein vielversprechender Titel: safe – das Magazin für Ihre Sicherheit. Jetzt am Kiosk! Im Editorial der ersten Ausgabe begrüßen einen die Hamburg-Mannheimer-Porträts der beiden Chefredakteure. „safe ist das erste deutsche Endverbraucher-Magazin mit einem kompakten Themen-Mix und viel Nutzwert rund um Ihre private Sicherheit“, heißt es dort. Bloß, dass es hier nicht um Busfahrten in die Lüneburger Heide mit Heizdeckenverkauf geht, sondern um Ihre Sicherheit! Und zwar „auf all Ihren Wegen. Ob zu Hause, unterwegs, im Internet, am Telefon, bei der Geldanlage, bei Sport und Freizeit“.

Das Heft bietet demnach querbeet durch die Ressorts einen bunten Blumenstrauß an Totalparanoia. Die Artikel über Themen wie Elektrosmog, fragwürdige Garantiefonds oder elektrisch betriebene Autofenster („Vorsicht, Quetschgefahr!“) bewegen sich dabei insgesamt auf einem Niveau, wie es allenfalls noch von den hartgesottensten Titanic-Lesern goutiert werden könnte.

Auf Fotos, die sich im Krankenkassenbroschüren-Look verzweifelt darum bemühen, irgendwie zu den Artikeln zu passen, kann man das Grauen hinter den farbenfrohen, grell ausgeleuchteten Studio-Staffagen nur erahnen. Fast so wie bei David Lynch. Sogar Handtaschen klauende Mofa-Fahrer und fiese Anlageberater sehen hier noch wie herkömmliche Bankangestellte oder ganz normale Pornodarsteller aus.

Wirklich bemerkenswert an safe ist aber vor allem, dass tatsächlich eine Duisburger „Investico GmbH & Co. KG“ aus privaten Geldgebern dieses Heft mit einer Startauflage von 52.000 Exemplaren an die Kioske gebracht hat – und das „in einem Umfeld“, wie man im Editorial selbstkritisch einräumt, „in dem es vielen Printmedien nicht mehr wirklich gut geht“. Kaum zu glauben, dass darüber hinaus immerhin noch ganze sechs Inserenten akquiriert werden konnten, die dafür dann auch im redaktionellen Teil generös Berücksichtigung finden (bis hin zur Übernahme von dem großen Verbrecherfoto aus der Abus-Anzeige für eine Einbruchsstory).

Am Ende ist man fast gerührt, nicht nur von so viel unternehmerischer Initiative in so trister Zeit, sondern auch von den „Sicherheits-Tipps“, die safe am Ende für eine Leserschaft parat hat, zu der es vielleicht niemals kommen wird.

Ein paar Internet-Adressen und ein bisschen „Aktenzeichen XY“-Philosophie, das muss reichen. Denn „viele der Tricks sind recht simpel, aber funktionieren immer wieder … Wer sich jedoch mit einem natürlichen Misstrauen wappnet und sich auch in unerwarteten Situationen nicht aus der Ruhe bringen lässt, der kann sich vor zahlreichen Gaunereien schützen.“

Ach so, und: „Grüne Bierflaschen schützen den beliebten Gerstensaft übrigens fast so gut wie braunes Glas“!

ANDREAS MERKEL