Zyperns letzte Chance für eine Einigung

UN-Generalsekretär Annan drängt Zyperns Griechen und Türken zum Kompromiss, doch die Erfolgschancen sind gering

BERLIN taz ■ Mit einem eindringlichen Appell hat UN-Generalsekretär Kofi Annan gestern griechische und türkische Zyprioten aufgefordert, ihre Differenzen zu überwinden und dem UN-Friedensplan zur Gründung eines gemeinsamen Bundesstaats zuzustimmen. Die Konfliktparteien berieten gestern in Den Haag über die Zustimmung zu der von den Vereinten Nationen geforderten Volksabstimmung über die Verfassung für den neuen Staat. Erwartet wurde jedoch ein Scheitern der UN-Initiative.

In der International Herald Tribune schrieb Annan von einer Chance zu einem historischen Kompromiss für die Insel. Forderungen beider Seiten nach weiteren Verhandlungen erteilte der UN-Generalsekretär eine Absage. „Die wirkliche Alternative liegt zwischen meinem Plan und keiner Lösung“, so Annan.

Ob die Führer von Inselgriechen und -türken, Tassos Papadopoulos und Rauf Denktasch, dem Vorschlag zustimmen, blieb zunächst unklar. Annan erklärte am Abend, weder Griechen noch Türken hätten sich bisher zu einer Zustimmung durchringen können. „Ein einfaches Ja oder Nein macht viel Arbeit“, sagte Annan. Die Verhandlungen sollten am Abend mit einem Gespräch zwischen Annan, Papadopoulos und Denktasch fortgesetzt werden. Die getrennten Referenden sollen am 30. März stattfinden, gut zwei Wochen bevor Zypern den EU-Vertrag unterschreiben wird.

Denktasch hatte in den letzten Tagen mehrfach deutlich gemacht, dass er die Zyperntürken darin übervorteilt sieht. Eine geplante Abstimmung im zyperntürkischen Parlament wurde von Denktasch-treuen Abgeordneten torpediert.

Auch der Chef der türkischen AK-Partei und kommende Ministerpräsident, Tayyip Erdogan, der bisher zu einer Annahme gedrängt hatte, sprach sich gegen einen gemeinsamen Bundesstaat mit den Griechen aus. „Den Plan in der jetztigen Form zu akzeptieren, erscheint mir unmöglich“, sagte Erdogan gestern der türkischen Zeitung Radikal. Die Führung der griechischen Zyprioten meldete ebenfalls Vorbehalte an. Präsident Papadopoulos verlangte ein Rückkehrrecht für alle Flüchtlinge und eine Verkleinerung der türkischen Zone in dem neuen Staat.

Das Treffen in Den Haag galt als der allerletzte Versuch, die Differenzen zu überbrücken. Sollte keine Lösung zustande kommen, will Annan seine Bemühungen vorläufig einstellen. In diesem Fall wird die griechisch dominierte Republik Zypern im Jahr 2004 allein der Europäischen Union beitreten. Da Nordzypern international nicht als Staat anerkannt ist, wäre damit ein Teil der EU völkerrechtlich von der Türkei besetzt. Die Republik Zypern und die Türkei unterhalten seit dem Krieg von 1974 keinerlei diplomatische Beziehungen. EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen hatte vor kurzem erklärt, dass in diesem Fall Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nur schwer vorstellbar seien.

Der UN-Plan sieht die Gründung zweier Staaten mit einer gemeinsamen Zentralregierung vor. Wesentliche innenpolitische Entscheidungen sollen durch die beiden Länderregierungen vorgenommen werden. Geplant ist ferner, dass die Zyperntürken einen Teil ihres Siedlungsgebiets räumen, um 1974 geflüchteten Griechen die Rückkehr zu ermöglichen. Dem Zyperngriechen Papadopoulos gehen diese Vorstellungen nicht weit genug. Denktasch dagegen lehnt eine Umsiedlung von Zyperntürken strikt ab. KLAUS HILLENBRAND