Deutsche Telekom mit miesem Europa-Rekord

Fast 25 Milliarden Euro Minus in einem Jahr. Schulden etwas abgebaut. Neuer Aufsichtsrat: Staat mit mehr Einfluss

BERLIN taz ■ Die schlechteste Bilanz der Firmengeschichte präsentierte die Deutsche Telekom AG gestern zur Cebit in Hannover. Im Jahresabschluss 2002 steht unterm Strich ein Minus von 24,6 Milliarden Euro. „Im Wesentlichen ist dieser Fehlbetrag auf einmalige, nicht Cash-wirksame Sonderabschreibungen im Rahmen der strategischen Überprüfung im dritten Quartal 2002 zurückzuführen“, heißt es im schönen PR-Deutsch in der Telekom-Erklärung. Übersetzt: Wir haben über die Jahre Firmen aller Art völlig überteuert gekauft und können eine Wertberichtigung nicht mehr länger hinauszögern.

Der Verlust ist gleichzeitig der höchste, den jemals ein europäisches Unternehmen verbuchen musste. Diese zweifelhafte Ehre wechselte diesen Monat schon zweimal: In der vergangenen Woche legte erst die France Télécom ein Minus von 20,7 Milliarden Euro hin, nur um dann vom Medien- und Mobilfunkkonzern Vivendi Universal (Sitz in Paris) mit 23,3 Milliarden getoppt zu werden. Beide hatten ebenfalls zu teuer eingekauft – ob nun Firmen oder Mobilfunklizenzen.

Trotz dieser Hiobsbotschaften rauschten die Aktienkurse nicht in den Keller. Jeder wusste, dass in den Bilanzen der Telekomkonzerne noch diverse Leichen verborgen liegen. Nun herrscht Klarheit. Und bezahlt sind die teuren und nun korrigierten Eskapaden zu einem großen Teil bereits: von den Aktionären mit bereits früher abgestürzten Kursen und von der Belegschaft, die in all den gebeutelten Firmen deutlich dezimiert wurde.

Der seit November amtierende Telekom-Vorstandschef Kai-Uwe Ricke legte ansonsten annehmbare Zahlen vor: Der Umsatz stieg um 11 Prozent auf 53,7 Milliarden Euro. Der Profit ohne irgendwelche Sonderkosten, Steuern oder Zinsen (im Fachjargon Ebitda) stieg von 15,1 auf 16,3 Milliarden Euro. Der Schuldenberg wurde innerhalb eines Jahres von 64,4 auf 61,1 Milliarden reduziert. Ende diesen Jahres sollen die Schulden gar auf 50 Milliarden sinken, weitere Konzernteile verkauft werden. Langsam finden auch der Umbau des Konzerns und das Entlassungsdesaster von Ricke-Vorgänger Ron Sommer seinen letzten Niederschlag: Ein Teil der verantwortlichen Aufsichtsräte nimmt seinen Hut. „Aus Altersgründen“, so die Telekom, gehen zur Hauptversammlung im Mai der Vorsitzende Hans-Dietrich Winkhaus, Exvorsitzender Helmut Sihler und Gert Becker.

Schon Ende Februar ging André Leysen. Sein Nachfolger wurde Ende letzter Woche präsentiert und ist eine Überraschung: Der amtierende Vorstandschef der Deutschen Post, Klaus Zumwinkel. Er wird auch als der kommende Aufsichtsratschef vorgeschlagen. Damit würde der Staat noch mehr Einfluss bei der Telekom erhalten: Zumwinkel ist Chef eines staatseigenen Konzerns. REINER METZGER