Die Pflichten eines Arbeitslosen

Lübeck kürzt Geld für alkoholisierte Erwerbslose. Warum, erklärt der stellvertretende Leiter Wolfgang Griebel im taz- Interview

Das Arbeitsamt Lübeck führt Alkoholtests für Jobsuchende ein. Warum?

Wolfgang Griebel: Wir möchten, dass die Vermittlungs- und Beratungsgespräche mit unseren Kunden effizient verlaufen. Dafür ist erforderlich, dass der Kunde in Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte ist.

Das ist oft nicht der Fall?

Es ist die Erfahrung jedes Vermittlers, dass täglich Kunden unter Alkoholeinfluss zum Gesprächstermin erscheinen.

Wer alkoholisiert ist, soll für diesen Tag kein Arbeitslosengeld- oder -hilfe bekommen. Warum sagen Sie den Leuten nicht einfach, sie sollen wiederkommen, wenn sie nüchtern sind?

Jeder Arbeitslose hat Pflichten. Er muss jeden Tag verfügbar sein. Er muss leistungsfähig sein. Das ist Voraussetzung für die Bezahlung der Lohnersatzleistung. Insofern ist er einem Arbeitnehmer vergleichbar. Und als Arbeitnehmer müssen Sie auch morgens nüchtern erscheinen.

Dann wird aber auch der Einsatz der Arbeitskraft verlangt. Garantieren Sie den Arbeitslosen, wenn sie leistungsfähig kommen, die Vermittlung in einen Job?

Das kann kein Mensch garantieren, wenn Sie unseren Arbeitsmarkt ansehen.

Aber wenn jemand ohnehin keine Vermittlung zu erwarten hat, ist es doch egal, ob er was getrunken hat.

Wenn jemand schon zum Beratungsgespräch nicht nüchtern kommt, sind Zweifel angebracht, ob er alles in seiner Kraft Stehende tut, eine Stelle zu finden.

Vielen Arbeitslosen wird über Monate kein Job angeboten.

Das änderst nichts daran, dass sie Bezieher von Lohnersatzleistungen sind. Was würden Sie machen, wenn gerade an dem Tag die passende Stelle da wäre, jemand sofort zum Vorstellungsgespräch müsste und das durch Alkoholkonsum vereiteln würde?

Ist das ein realistischer Fall?

Das kommt vor.

Wie oft?

Das kann ich nicht sagen.

Sanktionen gegen alkoholisierte Arbeitslose suggerieren, dass Erwerbslose selbst schuld sind an ihrer Situation. Ist das in Zeiten der Wirtschaftsflaute fair?

Was wir jetzt machen, ist losgelöst von der Frage, wie unser Arbeitsmarkt organisiert ist und ob es genug Stellen gibt. Wenn man Leistungen bezieht, ist es einfach eine Pflicht, dass man den Bedingungen entspricht. Und die lauten, dass man verfügbar sein muss.

Bedienen Sie nicht überholte Klischees, dass Arbeitslose den ganzen Tag betrunken auf der Straße rumsitzen?

Im Gegenteil: Dadurch, dass wir hier die Ausreißer konsequenter behandeln, zeigen wir, wie Ernst es uns mit dem Vermittlungsauftrag ist.

In den Lübecker Nachrichten hatten Sie die Hoffnung geäußert, dass sich ‚auf Dauer diese Problemfälle nicht mehr blicken lassen‘. Ist es das Ziel des Arbeitsamtes, schwierige Jobsuchende loszuwerden?

Wir wollen diejenigen haben, die ihre Pflichten erfüllen und sich eigeninitiativ um Arbeit bemühen. Für die wollen wir unseren Kundendienst vorhalten. Diejenigen, die dem nicht nachkommen, gehören in andere Sozialsysteme. Nicht in die Arbeitslosenversicherung.

Es trinken sicher auch viele, weil sie frustriert sind – durch ihre Arbeitslosigkeit.

Das ist wahr. Aber gerade wenn man arbeitslos ist und seine ganzen Bemühungen darauf richten muss, eine Stelle zu finden, muss man seinen Tag organisieren und darf sich eben nicht so hängen lassen.

Interview: Elke Spanner