Braune im Rotlicht

Neonazis mögen bekanntlich keine Ausländer. Beim Geldverdienen im Frauenhandel und im Rotlichtmilieu sind sie dennoch dabei. Rechtsextremist Ernst-August Möller aus Nordfriesland soll laut Staatsanwaltschaft Frauen eingeschleust haben

von ANDREAS SPEIT

Vor der Zuwanderung von Ausländern nach Deutschland warnt Ernst-August Möller aus Tönning bei Husum immer wieder. Doch wenn mit dem Schicksal ausländischer Menschen Geld gemacht werden kann, sieht das schon mal anders aus. Dann hilft der Rechtsextremist offenbar auch beim Einschleusen von Ausländern. So zumindest lautet der Tatvorwurf der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder gegen den 68-Jährigen: „Wir ermitteln wegen des Verdachts des Frauenhandels“, bestätigt deren Pressesprecher der taz hamburg.

Möller, früherer Kreisvorsitzender der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) im Kreis Nordfriesland, soll Frauen für das Rotlicht-Milieu über die deutsch-polnische Grenze geholt haben. Zum genauen Ablauf mag der Sprecher aus „ermittlungstechnischen Gründen“ nichts sagen. Es werde noch geprüft, ob es sich um die „Einzeltat einer Person“ oder die „Wiederholungstat einer Gruppe“ handele. Dass „Rechtsextreme im Frauenhandel mitmischen“, sagt er, sei aber „bei der Menschenverachtung in diesem Geschäft nicht überraschend“.

Seit Ende der 70er Jahre ermittelt die schleswig-holsteinische Justiz immer wieder gegen Möller. Im September 1978 – so in der späteren Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Schleswig – stürmten Möllers Kameraden Jürgen Töpke und Armin Peil in Husum ein britisches Militärfahrzeug, um Waffen zu stehlen. Mit einem entwendeten Tresor erreichten sie Möllers Hof Schrapenbüll – und entdeckten Nato-Dokumente im entwendeten Panzerschrank: Telefonlisten und Raketencodes.

Laut Anklage entschloss sich die Gruppe um Möller zu einem großen Coup: Sie wollte Rudolf Hess, den „Stellvertreter des Führers“, freipressen, der damals unter alliierter Kontrolle in Berlin inhaftiert war. „Tauschen Safe für die Freiheit Rudolf Hess“ ließen sie unter dem Absender „Werwolf Deutsches Reich“ per Post die britische Rheinarmee wissen. Als keine Reaktion erfolgte, boten sie zwei Ostblockstaaten und einer Boulevardzeitung die Dokumente zum Kauf an. Da erneut niemand Interesse zeigte, wurden die Unterlagen bei einem Kameraden versteckt.

Als im März 1979 offenbar dieselbe Gruppe einen Brandanschlag auf die Provinzialloge der Freimaurer in Hamburg vorbereitete, bekam Peil „kalte Füße“ und informierte die Sicherheitsbehörden. Laut Flensburger Staatsanwaltschaft hatte die Gruppe die Loge bereits ausspioniert und ausgerechnet, dass sie 120 Liter Benzin, drei Flaschen Propangas und drei elektrische Zeitzünder für die Zerstörung des Gebäudes benötigten. Der Tod der Hausmeister-Familie soll einkalkuliert gewesen sein. Unter dem Verdacht einer „terroristischen Vereinigung“ nahmen die Staatsschützer Möller und fünf Mitglieder der Gruppe fest und stellten Waffen und Bombenzündsätze sicher.

Während der Prozesse vor dem Landgericht Flensburg und dem Oberlandesgericht Schleswig 1981 und 1982 hielten die Richter Möller zwar für einen der Führer der Naziterroristen, eine direkte Tatbeteiligung ließ sich jedoch nicht nachweisen. Nur wegen versuchter Nötigung verurteilten ihn die Schleswiger Richter zu einer Geldstrafe von 7200 Mark, das Flensburger Gericht verhängte wegen Hehlerei eine Geldstrafe von 7800 Mark.

Auch die vermutete Beteiligung Möllers an einem Bombenanschlag auf die Flensburger Staatsanwaltschaft – bei der keine Menschen verletzt wurden – konnte strafrechtlich nicht nachgewiesen werden. Laut der späteren Aussage des ehemaligen Kameraden Peil soll die Gruppe um Möller für den Anschlag Rohrbomben auf einem Treffen mehrerer Rechter erhalten haben. „Um Geld für die Bewegung und für Waffen zu bekommen“, sagte Peil aus, hätten sie außerdem „21 schwere Diebstähle“ verübt.

Bis heute scheint Möller zumindest Geld in die „nationale Bewegung“ zu stecken. Aus welcher Quelle er dieses Geld hat, werden die aktuellen Ermittlungen der Frankfurter Staatsanwaltschaft zeigen. „Seine Gesinnung hat er nicht verändert“, erklärt der Leiter des schleswig-holsteinischen Verfassungsschutzes, Michael Wolf. Wegen seines Alters sei Möller jedoch nicht mehr „so aktiv“. Aber „einzelne Personen des rechten Spektrums“ würde er „privat unterstützen“.

Auch junge Kameraden pflegen Kontakte mit kriminellen Kreisen. „Wir können vereinzelte Verbindungen der rechten Kieler Szene zum Rotlicht-Milieu beobachten“, erläutert Wolf. Vor allem der Neonaziführer Peter Borchert bewege sich in Schleswig-Holstein zwischen brauner Szene und Prostitution. Diese Verflechtungen wurden im April 2001 öffentlich. Die rechte Band „Kraftschlag“ sollte bei einem vom Neumünsteraner Zentrum „Club 88“ und der Kieler Hooligankneipe „Fischerklausel“ veranstalteten Konzert in der Disko „Flach“ im Kieler Rotlichtviertel auftreten. Da das Konzert verboten wurde, fanden im Frühsommer im kleinen Lexgaard zwei Ersatzveranstaltungen statt. Die Zuhörerschaft, stellte der Verfassungsschutz fest, bestand „sowohl aus Angehörigen des Rotlichtmilieus als auch aus der Skinheadszene“.

Gegenüber der taz hamburg räumte Möller ein, dass ein Verfahren gegen ihn läuft. Nur: „Was geht das die Presse an?“