Straßenspaß in Modulen

Weniger Blech, mehr Platz für Kinder – das ist eine Vision für das Buntentor, an der viele Gefallen finden. Allein: Die Autofahrer haben das Amt auf ihrer Seite und trotzen den guten Ideen

taz ■ Kinder sind wichtiger als Autos, würde man meinen und kaum einer würde widersprechen. Aber Autos sind zahlreicher als Kinder. Im Buntentor kommen auf ein Kind drei Autos – dass Autos also mindestens dreimal soviel Platz wie die Buntentor-Kids beanspruchen, entspricht zwar der Realität, aber zahlreiche Eltern-Initiativen und LokalpolitikerInnen arbeiten daran, das Verhältnis zugunsten der Kurzen zu verändern. Gestern trafen sich zehn Fachleute aus Politik und Verwaltung in der Arbeitnehmerkammer und diskutierten mit rund nochmal sovielen ZuhörerInnen, wie im eng bebauten Viertel zwischen Meyer- und Gastfeldstraße, Kirchweg und kleiner Weser dem Nachwuchs mehr Platz zu machen sei.

Die grobe Richtung liefert Neustadts Ortsamtsleiter Klaus-Peter Fischer: „Wir nehmen eine Straße, machen sie frei vom Autoverkehr und schaffen so eine Spielstraße“, und das sofort und in enger Abstimmung mit den Anwohnern. Das klingt zwar sympathisch, scheint aber nicht auf der Höhe der Zeit: Beiratsmitglied Janne Müller (Grüne) spricht lediglich von „Modulen“, kleinen Zonen, die in Straßen Spielmöglichkeiten schaffen, Jürgen Brodbeck vom veranstaltenden Verein „SpielLandschaftStadt“ erklärt: „Die Forderungen gehen gar nicht mehr in Richtung einer ganzen Straße, aber vielleicht könnte man bis 18 Uhr in einer Straße eine Parkverbotszone einrichten.“ Die Kritik der Runde ist einhellig: Am Amt für Straßen und Verkehr seien bisher viele gute Ideen gescheitert. Wo sollen denn die Autos hin – das sei der Tenor der Amtsantworten.

Das Amt muss die Lobby der Autofahrer und damit die Rolle des Feindbilds mimen, wenn auch unwillig. „Wir sind zwar Verwalter der Straßen“, beginnt Egon Kastens, „aber es gibt planungsrechtliche Vorschriften und Bundesrecht, das uns Zwänge aufgibt.“ Da, spielt Kastens den Ball weiter, sei die Politik aufgefordert das zu ändern. Zudem, springt ihm Henning Poos vom Stadtplanungsamt zur Seite, sei es „nicht schön, sich für Autofahrer stark zu machen, aber das ist nunmal ein Belang dieser Gesellschaft.“ Poos Richtung Elterninitiativen: „Wer das ändern will, muss sich mit den Autofahrern streiten, nicht mit dem Amt.“ Keineswegs, hält Anja Stahmann von den Grünen dagegen, habe sich die Verwaltung nach dem Mainstream zu richten, im Gegenteil: „Das Leitbild der Straßen- und Verkehrsplanung muss auf die Kleinsten und Schwächsten ausgerichtet sein. Das ist doch keine Vision, das Dreirad in den Kofferraum zu packen und damit an den Werdersee zu kacheln.“

Neben den Straßen geht es um Flächen. Die einzige große Grünfläche im Buntentor ist der Friedhof, „da kann man nicht spielen“, bemerkt Moderatorin Renate Viets, was bleibt? Wenig, ein bisschen Grün am Werdersee, das Schulzentrum Kornstraße, das aufgelöst werden soll, ein Kindergarten – Spielraum, der auch nachmittags zur Verfügung stehen könnte. Dann müssen die Eltern ran, „und es muss eine klare Zuständigkeit geben, wer sich um die Flächen kümmert“, betont Anja Stahmann. Dass das Ganze „kostenneutral“ zu machen sei, wie Annedore Windler von der CDU anpreist, glaubt in der Runde keiner.

Am Schulzentrum Kornstraße, entwirft Stadtplaner Poos ins Blaue, könnten Stellplätze für Autos entstehen und damit woanders Fläche für Kinder frei werden. Dass solche Flächen wie das Schulzentrum nicht privatisiert werden, „das muss die Kraft sein, die wir aufbringen“, glaubt Poos. Wenn die Kraft dazu aber nicht reicht, zeigt Peter Wührmann vom Sozialzentrum Neustadt/Woltmershausen, wie auch aus dem Verkauf bremischer Flächen Kinder profitieren könnten. Er berichtet vom anstehenden Verkauf eines runtergekommenen Spielplatzes zwischen Buntentorsteinweg und Werdersee, der kaum genutzt, weil abgelegen sei. Immerhin 37 Prozent der Verkaufssumme – ursprünglich waren nur zwölf vorgesehen – werde nun dem Stadtteil für Spielflächen zur Verfügung gestellt. Wenn neu gebaut werde, so Wührmann weiter, „muss es das Gebot der Stunde sein, darauf zu achten, dass nicht zu eng bebaut wird“, und Platz für Kinder bleibe. Darauf Janne Müller: „Dazu sind wir finster entschlossen.“

Susanne Gieffers