Millionenbeträge falsch gebucht

In mehreren Fällen hat die Bremer Landeshauptkasse Anfang 2003 Millionenbeträge fehlerhaft verbucht – und die Fehler nicht sofort korrigiert. Die neue Software SAP sei Schuld, sagen die Betroffenen: es gab damals keine Buchungsbelege

von Klaus Wolschner

Anfang 2003 muss es in der Bremer Finanzverwaltung drunter und drüber gegangen sein: Es gab über drei Monate keine Zahlungsmitteilungen oder Buchungsbelege. 10.000 Buchungen wickelt die Bremer „Landeshauptkasse“ für Stadtgemeinde und Land jeden Tag ab, Beträge von 20 Euro für falsches Parken ebenso wie Müllgebühren, Steuer-Nachzahlungen oder Millionen-Überweisungen des Landeshaushalts.

Die kommunalen „Bremer Entsorgungsbetriebe“ (BEB), der für die Müllabfuhr zuständige Eigenbetrieb, hatte damals 1,8 Millionen Euro auf eines seiner Unterkonten bekommen; der Geldeingang fiel auf als kleiner „Bankirrtum zu meinen Gunsten“ und man dachte bei den BEB, die Stadt werde das Geld zurückfordern. Die BEB riefen sogar bei der Landeshauptkasse an und wiesen auf den Fehler hin. Als nichts geschah, vermerkte die BEB das überschüssige Geld im Bilanz-Bericht der Wirtschaftsprüfer – in Erwartung einer späteren Gegenforderung. Die aber kam erst, als bei einer Revision im Finanzressort die Lücke auffiel.

In einem anderen Fall war es zu spät: 1,68 Millionen Euro sollten im Dezember 2002 auf ein Verfügungskonto der staatlichen „Gesellschaft Bremer Immobilien“ (GBI) fließen. Aufgrund eines Zahlendrehers landete das Geld auf dem Konto der privatisierten Bundesdruckerei. Zwar bemerkte die GBI, dass das angeforderte Geld nicht eintraf. Auf Nachfrage bei der zuständigen Sachbearbeiterin bekam sie aber nur die Auskunft, wegen einer Computerumstellung auf SAP lägen Berge von Buchungen da, sie solle sich gedulden. Da öfter Zahlungsbelege nicht aufzufinden gewesen seien, habe sie damals dann den Fall bei Seite gelegt, so die Mitarbeiterin jetzt. „Systembedingt“ habe es über Monate keine Zahlungsbelege gegeben, rechtfertigte sie sich. Als das Fehlen der Summe im Herbst 2003 schließlich im Finanzressort auffiel, war es zu spät: Die Bundesdruckerei hatte Insolvenz angemeldet, das Geld wurde offenbar auf Privatkonten transferiert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

„Ich kann keinem meiner Mitarbeiter einen Vorwurf machen“, sagt dazu der Leiter der Landeshauptkasse. Denn für die Kontrolle von Fehlbuchungen sei die Landeshauptkasse nicht zuständig. Das Rückfordern solcher Fehlbuchungen sei „tägliches Geschäft“ – bei 10.000 Buchungen am Tag passierten Fehler.

Die waren bei der Einführung des neuen Systems „SAP“ besonders häufig. Das Bremer Finanzressort hat jetzt Unternehmensberater beauftragt, das Bremer System der Landeshauptkasse zu durchleuchten. Die in Bremen mitregierende CDU hat eine Sondersitzung des Haushaltsausschusses gefordert – obwohl damals der CDU-Spitzenkandidat Hartmut Perschau der verantwortliche Finanzsenator war. Prompt kommt von dem derzeitigen Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) der Konterschlag: Es sei ihm lieber gewesen, erklärte der, die notwendige Aufarbeitung der Probleme sei zeitnah in der Amtszeit seines Vorgängers passiert.

Perschau, in Bremen bekannt für vollmundige Erklärungen, hatte in dem Monat, in dem seine Mitarbeiter mit der neuen SAP-Software Zehntausende von Buchungen ohne Buchungsbelege tätigen mussten, erklärt: „Nach einem anstrengenden Schlussspurt zwischen den Jahren läuft seit dem 6. Januar 2003 planmäßig eines der größten Informationsprojekte der bremischen Verwaltung: Die Umstellung des Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesens auf die Software SAP R/3.“ Das rund 13 Millionen Euro teure Projekt sei Grundlage für die stufenweise Umstellung auf die kaufmännische Buchführung.