Statistische Unklarheiten

Kein „Jo-Jo-Effekt“ und keine Highlights: Zwecks Wahlkampfshow zieht Innensenator Dirk Nockemann die Präsentation der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) vor

„Ich warne davor, Jugendliche generell zu kriminalisieren“: Polizeipräsident Nagel

Hamburgs Innensenator Dirk Nockemann (Partei Rechtsstaatlicher Offensive) und Polizeipräsident Udo Nagel haben in den vergangenen Wochen den Polizeiapparat auf Trab gebracht, um zwei Monate vor dem eigentlichen Termin – und noch vor den Bürgerschaftswahlen – die „Polizeiliche Kriminalstatistik“ (PKS) vorlegen zu können – und ihre Version von „Klarheit und Wahrheit“ darzulegen.

Wenn auch statistisch gesehen die Zahl der Straftaten 2003 gegenüber dem Vorjahr um 0,8 Prozent angestiegen sei, würde sich dennoch laut Nockemann „der positive Trend“ aus dem Jahr 2002 fortsetzen: 271.193 Fälle gegenüber 318.528 Delikten im Jahr 2001. „Es gibt keinen Jo-Jo Effekt“, schwört er: „Hamburg ist sauberer und sicherer geworden – das subjektive Sicherheitsgefühl ist gestiegen.“

Bei ihrer gestrigen einstündigen Präsentation der Zahlenwerke nahmen Nockemann und Nagel durchaus Widersprüche in Kauf. So stellte Nagel klar, dass der aktuelle Anstieg eigentlich nur auf ein Großverfahren aus der Wirtschaftskriminalität mit 5.400 Fällen zurückführen sei. Nockemann dagegen versuchte durch ein Zahlenspiel deutlich zu machen, dass es 2003 im Durchschnitt pro Tag 129 Straftaten weniger gab als 2001 unter Rot-Grün. Was Nockermann verschweigt: 2001 war ebenfalls ein Wirtschaftsverfahren mit knapp 25.000 Einzeltaten in der Statistik negativ zu Buche geschlagen.

Auch beim rechtspopulistischen Steckenpferd, der Zerschlagung der offenen Drogenszene, lässt sich auf zweierlei Weise interpretieren: So nahmen die Delikte zwar um 3,0 Prozent zu, bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (erwischte Konsumenten) schnellte die Zahl sogar um 9,3 Prozent hoch. „Rauschgiftdelikte sind Kontrolldelikte,“ beschwichtigt indes Nockemann. „Der Anstieg ist auf den erhöhten Verfolgungsdruck zurückzuführen.“

Während die Zahl der Wohnungseinbrüche zugenommen habe, die schweren Gewalttaten gestiegen seien, erkennt Nagel Erfolge bei der Straßenraub- und Jugendgewalt. „Ich warne davor, Jugendliche generell zu kriminalisieren“, so Nagel. „94,1 Prozent sind nicht polizeilich erfasst.“

Auch wenn Hardliner Nockemann mit der Aufklärungsquote der Hamburger Polizei „nicht zufrieden“ ist – sie liegt zurzeit bei 43,7 Prozent – stimmt er Optimismus an. „Mehr eingestellte Polizisten müssen mittel- und langfristig auch mehr Erfolge in der Statistik bringen“, lautet seine Philosophie. „Die Hamburger Polizei kann nach Jahren Gängelei endlich zeigen was sie kann.“

Während die Rechtskoalitions-Parteien in den Chor der Zufriedenheit einstimmen, gibt sich die Gewerkschaft der Polizei wegen der schlechten Aufklärungsquote verhalten. Michael Neumann, SPD-Polizeihardliner und Schatten-Innensenator, übte indes harsche Kritik: „Eine Entlastung gibt es nicht.“ Besorgnis erregend seien die Gewaltdelikte: „Über zehn Prozent mehr schwere Körperverletzungen, 23 Prozent mehr Vergewaltigungen – das sind bittere Zahlen.“ KAI VON APPEN

Nachlesen: www.polizei-hamburg.de