Wahnsinnig hässlich, richtig großstädtisch

Bremens neuer Stadtteil im Modell und als Echtraum: Touren in die „Überseestadt“. Entscheiden Sie selbst, ob „eines der europaweit größten Projekte“ zum Hoffen oder zum Jammern taugt – immerhin geht es um eine Fläche, die fünfmal so groß wie die Bremer City ist

„¡No he visto nunca algo tan feo!“: Noch nie habe sie etwas derart Hässliches gesehen, bekundet Adriana F. angesichts des Überseestadt-Modells im Paula Modersohn-Becker Museum. Das Kommentarbuch neben dem zwei mal sieben Meter messenden Modell ist voller entsetzter Reaktionen in- und ausländischer BesucherInnen – die offenbar ganz und gar nicht der Meinung sind, dass das als Wohn- und Gewerbegebiet geplante Areal um den zugeschütteten Überseehafen auf einem auch nur irgendwie attraktiven (Entwicklungs-)Weg ist.

Der Hauptkritikpunkt: Die im Modell angedeutete Bebauung strahle überhaupt keine Wohnathmosphäre aus. Sie wirke „erschreckend fantasielos“, eine „Vision à la Spacepark“. Andere Betrachter, offenbar älteren Semsters, stellen die bange Frage: „Wo bleiben die Bremer Sichtbeziehungen zum Dom?“ Und einige Wenige applaudieren denn doch dem Modell des in Bremen überaus aktiven Architekturbüros Schomers & Schürmann: „Endlich wird in Bremen mal richtig großstädtisch gebaut!“

Allerdings lassen auch die schon vorhandenen gewerblichen Nachbarn des Areals nur wenige gute Haare an der skizzierten Flächenplanung: Direkt neben der lärmintensiv arbeitenden Rolandmühle etwa ist ein Wohnblock angedacht, was den Rolandmüllern potentielle Kläger gegen die nächtlichen Arbeitsvorgänge an den Hals setzen würde. Ein Griff also mitten in den Kernkonflikt der Überseestadtentwicklung, der von Manchen befürchteten Unverträglichkeit zwischen industriellen und privaten Anliegern.

So wenig Begeisterung das Modell auch hervorruft, das reale Gelände zieht Superlative an. Als eines der „europaweit größten Projekte dieser Art“ bezeichnet Häfensenator Hartmut Perschau die Überseestadt, die mit 288 Hektar in der Tat fast dreimal so groß angelegt ist wie die viel gepriesene Hamburger Hafencity.

Der vergleichende Blick auf Modell und Echtfläche ist demnächst per Bustour möglich: An zwei der kommenden Samstage führt Detlef Kniemeyer durch Museum und Gelände. Der jahrzehntelange Leiter des Bremer Stadtplanungsamtes ist derzeit Geschäftsführer der „Überseestadt GmbH“. Henning Bleyl

Anmeldung zur Überseestadterkundung: ☎ (0421) 336 50 77. Die Bustour findet am 31.1. und 7.2. statt (15 bis 18 Uhr), jeweils im Anschluss an eine Führung durch die Ausstellung im Paula Modersohn-Becker Museum. Gelegenheit zur Diskussion besteht auch bei der Finissage der Ausstellung am 8. Februar (ab 14 Uhr)