Irans Abgeordnete schwören auf Widerstand

Streikende Parlamentarier bestehen auf Zulassung von Reform-Kandidaten. Staatschef Chatami lehnt Rücktritt ab

BERLIN taz ■ Die 117 iranischen Parlamentsabgeordneten, die sich seit 13 Tagen im Streik befinden, haben in einer gestern veröffentlichen Erklärung einen Schwur abgelegt. Darin betonen sie, nicht nachzugeben und etwaige Kompromisse, die die Freiheit der Wahlen einschränken könnten, nicht zu akzeptieren. Der Protest der Abgeordneten richtet sich gegen die Entscheidung des konservativen Wächterrats, mehr als 3.000 Kandidaten der Reformbewegung von den für den 20. Februar geplanten Parlamentswahlen auszuschließen.

„Wir Vertreter des iranischen Volkes schwören, vor Drohungen nicht zurückzuweichen, jedem Druck von außen Widerstand zu leisten und keinerlei Einschränkungen der Wahlfreiheit hinzunehmen“, heißt es in der Erklärung. „Sollte das Recht des Volkes, frei zu wählen, nicht gewährleistet sein, werden wir unser Abgeordnetenmandat niederlegen und das Parlament verlassen.“

Bereits am Dienstag hatten sechs Minister, drei Vizepräsidenten, fünf Staatssekretäre, 28 Provinzgouverneure und rund hundert hohe Staatsfunktionäre bei Staatspräsident Mohammad Chatami ihre Rücktrittsgesuche eingereicht. Chatami selbst, der nach Aussagen seines Stellvertreters, Mohammad Ali Abtahi, ebenfalls seinen Rücktritt erwogen hatte, erklärte während seines Aufenthalts in der Schweiz, er habe keine Rücktrittsabsichten und werde im Amt bleiben. Nach einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur Irna hat der Staatspräsident, der gestern nach Teheran zurückgekehrte, die eingereichten Rücktrittsgesuche nicht angenommen.

Die Rolle, die der Reformpräsident in dem Konflikt spielt, wird immer fraglicher. Chatami hat in seiner bisher fast siebenjährigen Amtszeit stets versucht, Konflikte durch Kompromisse mit den Konservativen zu umgehen und Proteste, die gesellschaftliche Unruhen hätten auslösen können, zu schlichten. Dadurch hat er die Sympathien eines großes Teils seiner Wähler verloren. Doch nun scheint selbst der engste Kreis um ihn diese Politik nicht weiter mittragen zu wollen.

Unterdessen hat der Wächterrat 260 der 3.600 Ablehnungen zurückgenommen. Die kleineren Zugeständnisse sollen zum einen zu einer Spaltung der Front der Streikenden führen und zum anderen den Reformern kaum Zeit lassen, um effektiv für ihre eigenen Kandidaten werben zu können.

Bereits jetzt ist die Zeit für einen effektiven Wahlkampf schon zu knapp. Das Ultimatum der streikenden Abgeordneten an den Wächterrat, bis Donnerstagabend eine endgültige Entscheidung zu verkünden, ist abgelaufen. Die Lage ist mittlerweile höchst verfahren. Die Frage ist, welche Druckmittel die streikenden Parlamentarier noch einsetzen könnten. Indes hat Oberstaatsanwalt Ajatollah Namasi in einem Gespräch mit ISNA den Streik der Abgeordneten als „illegal“ bezeichnet. Auf die Frage, wie die Justiz sich bei Fortsetzung dieser „illegalen Handlungen“ weiter verhalten werde, sagte der Staatsanwalt: „Sollten die Ordnungskräfte Rechtsbrüche feststellen und einige Leute festnehmen, wird die Justiz pflichtgemäß handeln.“

Er betonte weiterhin, sollte in einer „Krisensituation“ die Polizei nicht tätig werden wollen, werde die Justiz selbst entsprechende Maßnahmen treffen. Einen Sturm auf das Parlament hat es in der iranischen Geschichte schon einmal gegeben.

BAHMAN NIRUMAND