OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Kaum haben Inspektor Juve und sein Mitstreiter Fandor den berüchtigten Gangster Fantomas gefasst, da ist er ihnen auch schon wieder entschlüpft. Die verblüfften Verbrecherjäger halten nur noch die Ärmel eines Trickmantels und zwei falsche Arme in der Hand. Den andauernden Wettstreit des kriminellen Meisters der tausend Masken mit dem wackeren Inspektor brachte der französische Regisseur Louis Feuillade in den Jahren 1913/14 in fünf inhaltlich eher lose zusammenhängenden Filmen auf die Leinwand. Die Kamera blieb damals zwar noch starr, dafür ist die Handlung dann umso bewegter: Mord, Raub, Schießereien und Attentate – Fantomas ist in der Wahl seiner Mittel nicht eben zimperlich. Weniger auf logische Handlungsabläufe denn auf ein fantasievolles Spektakel bedacht, verlieh Feuillades Inszenierung dem Serial großen poetischen Charme.

Als Alfred Hitchcock 1929 in England seinen Film „Blackmail“ drehte, hielt in Europa gerade der Tonfilm seinen Einzug in die Kinos. So kam es, dass Hitchcock das Kriminalmelodram um die kokette Alice (Anny Ondra), die einen zudringlichen Maler ersticht und einem Erpresser in die Hände fällt, zunächst sowohl in einer stummen Version wie dann auch noch einmal als Tonfilm in Angriff nahm. Hitchcocks geschickte dramaturgische Nutzung des neuen Mediums ist allseits anerkannt – insbesondere in jener Szene beim Frühstück, als die Unterhaltung der daran beteiligten Personen in Alices subjektiver Wahrnehmung zu einem unverständlichen Gemurmel verschwimmt, aus dem sich lediglich das ständig wiederholte Wort „Messer“ immer schärfer heraushebt. Die stumme Fassung, die das Bali-Kino jetzt mit musikalischer Begleitung durch das Filmensemble Jazz Institut Berlin zeigt, ist beim Publikum jedoch deutlich weniger bekannt. Zwar ist der Handlungsablauf der gleiche, doch die Akzente verschieben sich: So wirkt etwa die Frühstücksszene im Stummfilm etwas weniger eindrucksvoll, dafür scheint aber beispielsweise die Unverschämtheit des Erpressers, der es sich bei Alices Familie in der guten Stube gemütlich macht, viel stärker ausgespielt zu werden. Und ganz generell finden sich in „Blackmail“ viele schöne visuelle Ideen zur Illustration von Alices Schuldbewusstsein, die ihren Ursprung in der Bildsprache des stummen Films haben: Als sie nach dem Totschlag wie in Trance durch die Straßen läuft, wird Alice durch die Hand des Schutzmanns, der sie über die Straße winkt, die Handhaltung einer Schaufensterpuppe und die ausgestreckte Hand eines Bettlers immer wieder an die schlaffe Hand des Toten erinnert.

Ob die Leihgebühr das Arsenal ein paar Dollar mehr kostete, darüber soll an dieser Stelle nicht spekuliert werden. Klar ist jedoch, dass Sergio Leones berühmte und so zynische wie komische Italo-Western-Trilogie mit dem stoischen Clint Eastwood in der Hauptrolle an besagter Stelle in restaurierten Kopien und im englischen Original zu sehen ist. Also: „Wer schießen will, der soll schießen und nicht quatschen.“ LARS PENNING

„Fantomas“ (OmÜb) Folge 1 + 2 am 8. 11., Folge 3 am 9. 11., Folge 4 + 5 am 10. 11. im Arsenal 2

„Blackmail“ (stumme Fassung) 7. 11. im Bali-Kino

„Per un pugno di dollari“ 10. 11., „Per qualche dollaro in più“ 11. 11.; „Il buono, il brutto, il cattivo“ 12. 11. im Arsenal 1, jeweils engl. OF