Polizei hält Privat-PC von Nazijäger zurück

Amtsanmaßung soll Ulrich Sander begangen haben. Beweise dafür fand die Staatsanwaltschaft nicht, aber seinen Computer behält sie trotzdem vorerst – mit persönlichen Namen und Adressen des Antifaschisten

DORTMUND taz ■ „Der Verdacht gegen Ulrich Sander hat sich nicht erhärtet“, sagt Oberstaatsanwalt Bernd Düllmann. Eigentlich sind das gute Nachrichten und eigentlich müsste die Staatsanwaltschaft Dortmund dem Landessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) jetzt seinen Computer samt Dateien zurückgeben. Macht sie aber nicht, denn: „Es gibt noch einige Anhaltspunkte, die den Verdacht doch noch untermauern können“, sagt der Oberstaatsanwalt. Denen müsse man noch nachgehen.

Amtsanmaßung soll Ulrich Sander begangen haben. Er soll sich als „Leiter der Zentralstelle im Lande Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung von Nationalsozialistischen Massenverbrechen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund“ ausgegeben und als dieser „eine Vielzahl“ von Personen angeschrieben und ihnen verkündet haben, dass gegen sie wegen Mordes ermittelt werde.„Das war ich nicht“, sagt Ulrich Sander. „Und das hab ich den Beamten auch sofort mitgeteilt.“ Allerdings standen die Beamten des Staatsschutzes zu diesem Zeitpunkt schon mit einem Durchsuchungsbefehl in seiner Wohnung und bauten seinen Rechner ab. Ein unangemessen hartes Vorgehen, findet Anna Regener vom Bund linker JuristInnen. „Amtsanmaßung ist kein schwerwiegendes Delikt.“

Ulrich Sander stört vor allem, dass ihm vor dem „Überfall des Staatsschutzes“ nichts von derartigen Anschuldigungen bekannt war. „Das hätte man ja klären können“, sagt er. Denn Ulrich Sander hatte tatsächlich Kontakt zur Staatsanwaltschaft Dortmund. Schließlich recherchiert die Vereinigung seit Jahren die Namen ehemaliger NS-Verbrecher und hatte erst im vergangenen November eine Namensliste an die Staatsanwaltschaft Dortmund übergeben – „damit die Strafbehörden die notwendigen strafrechtlichen Schritte ergreifen.“

„Warum sollte ich dann im Namen der Staatsanwaltschaft die NS-Verbrecher anschreiben“, fragt Ulrich Sander. „Ich hatte schließlich die Hoffnung, dass sich die Staatsanwaltschaft selbst darum kümmert.“

Tatsächlich hatten viele Personen Zugang zu den von der VVN recherchierten Namen der NS-Verbrecher. „Ich habe die Namen auf einer Pressekonferenz genannt und sie an diverse mit uns kooperierenden Gruppen gemailt“, sagt Sander.

Er ist deshalb davon überzeugt, dass andere Gründe hinter der Beschlagnahmung seines Computers stecken. „Die Namen unserer Mitglieder sind für den Verfassungsschutz interessant“, sagt er. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes taucht tatsächlich im Verfassungsschutzbericht im Kapitel über Linksextremisten auf.

„Alles kein Grund, mir das Zeugnisverweigerungsrecht zu entziehen“, sagt Ulrich Sander. Er sei schließlich Journalist und habe als solcher geschützte Daten auf seinem Computer. „Statt mich zu kriminalisieren, sollte die Staatsanwaltschaft lieber den NS-Verbrechern hinterherrecherchieren“, sagt Sander. Die seien schließlich schon ziemlich alt und „beenden sonst ihr Leben straffrei.“ MIRIAM BUNJES