kurzkritik: „Einer von uns“, Thalia in der Gaußstraße
: Trotz und Selbstbehauptung

In den Hip-Hop-Tanzszenen winden sich die Körper. Das typische Antäuschen, Rückziehen und Verschieben der Gliedmaßen geht in alle Stoßrichtungen. Einer der jungen Hip-Hopper beichtet, wie sehr er darunter leide, dass seine Eltern nie über ihre Heimat Ghana reden, und schiebt sich dann mit den Händen am Kleiderkragen hin und her – Breakdance eben.

Regisseur Nuran David Calis mixt Hip-Hop mit Schauspielszenen, Videobilder mit Rap, wechselt immer wieder die Erzählebenen, um vom Gefühl zerrissener Herkunft zu erzählen. Aber nie wird der Kampf um eigene Identität eindrücklicher als in den Choreografien der Körper.

Erarbeitet hat Calis diesen Abend, der sich um die Probleme des Heranwachsenden Anukami dreht, mit drei Thalia-Schauspielern und sieben Jugendlichen aus Altona. Anukami stiehlt, lügt, schwänzt die Schule, die arabische Heimat seiner Eltern ist ihm fremd, und den totgeglaubten Vater, der plötzlich auftaucht, erkennt er nicht. Die Geschichte ist dick aufgetragen. Dank der jungen Laiendarsteller, die retrospektiv von ihm erzählen, wird dennoch ein gelungener Abend daraus. Aus den Stereotypen entwickeln sie ihre individuellen Geschichten, und es überrascht, wie sie mit Trotz und Selbstbehauptung als Kollektiv zusammenhalten.

Ein Abend, mit dem Calis einmal mehr beweist, dass er ein gutes Händchen für die Nöte Heranwachsender hat. SIMONE KAEMPF

nächste Vorstellungen: 7., 8. und 13. 11., Thalia in der Gaußstraße