„Der Kanzlerbrief wird nicht bestritten“

Bürgermeister Henning Scherf hat den Bundeskanzler auf dessen Reise durch vier Länder Afrikas begleitet. Mit zurück nach Bremen brachte er viele Eindrücke, Wirtschaftsaufträge – und eine weitere Zusage Schröders für Finanzhilfe des Bundes

Bremen taz ■ Henning Scherf kennt die Mechanismen der Medien sehr genau. Und manchmal, wie gestern Nachmittag, kostet er dieses „Herrschaftswissen“ auch aus. Auf einem „Pressegespräch“ berichtete Scherf beredt und beeindruckt von der Reise nach Äthiopien, Kenia, Südafrika und Ghana, auf der er als Delegationsmitglied Bundeskanzler Gerhard Schröder in der letzten Woche begleitet hatte. Scherf berichtete über die äthiopische Hauptstadt als Sitz der Afrikanischen Union (AU), über die „Deutsche Aussätzigenhilfe“ in Addis Abeba, über ein Trainingszentrum für afrikanische Peacekeeping-Soldaten, über das Donnern der deutschen Wagenkolonne durch Pretoria und über den ghanaischen Präsidenten, einen „belesenen Advokaten“ – ehe er endlich ein Erbarmen mit den Medienvertretern hatte: „Und jetzt wollen Sie alle wissen, ob Schröder mit mir über den Kanzlerbrief gesprochen hat?“

Scherf registrierte das wissbegierige Nicken der reflexartig zu ihren Schreibgeräten Greifenden und schob genüsslich die erregend-ernüchternde Antwort hinterher: „Wir haben.“ Kurze Pause. „Aber wir haben uns beide versprochen, dass wir darüber nicht reden.“ Im Grundsatz sei er sich mit dem Kanzler einig: Der Kanzlerbrief – also die schriftliche Zusage Schröders, Bremen die aus der Steuerreform resultierenden Nachteile auszugleichen – werde „nicht bestritten“. Die Sache sei allerdings „sehr kompliziert“, da komme „man nur voran, wenn man diskret bleibt“. Er habe sich mit Schröder in Afrika jedenfalls auf „eine Verhandlungsstruktur“ verständigt: „Wir müssen jetzt daraus eine Arbeitsstruktur entwickeln, in der wir noch in diesem Jahr die Umsetzung des Kanzlerbriefes konkret machen“, so der Bremer Regierungschef. Auch müsse man „einen Weg finden, der nicht zum Präzedenzfall für alle anderen Bundesländer“ werde – „sonst kann die Bundesregierung gleich nach Hause gehen“.

Im Reisegepäck hatte Scherf auch „zwei delikate Wirtschaftsaufträge“. Die seien „beide gutgegangen“, berichtete der Bürgermeister. Zum einen bestelle Südafrika 12 Transportflugzeuge bei EADS, die zum Teil in Bremen gebaut würden. Und es bahne sich eine „hoch wünschenswerte Partnerschaft“ zwischen Südafrikas Hafengesellschaft auf der einen und Bremenports, der BLG und Eurogate auf der anderen Seite an – dabei gehe es ums Containergeschäft und den Fruchtumschlag. „Wir müssen Wege finden, wie wir das organisieren“, so Scherf. Er hoffe, dass die drei Bremer Firmen „da anbeißen“.

Hat er denn mit Gerhard Schröder auch über die Bundespräsidenten-Wahl gesprochen? Das Thema habe ihn auf der gesamten Reise verfolgt, sagt Scherf. Journalisten und Unternehmer im Kanzler-Trupp hätten beständig mit dem Finger auf ihn, Scherf, gezeigt, und gesagt: „Das ist er doch, der Neue.“ Da sei er „ein bisschen verlegen“ geworden. Schröder habe dann „erst von Geschlechtsumwandlung“ gewitzelt, weil seine Partei doch für eine Frau als Präsidenten ist, dann habe er auf die fehlende Mehrheit der SPD in der Bundesversammlung verwiesen.

Insgesamt zog Scherf ein überaus positives Fazit der Afrika-Reise. Man habe Länder besucht, die „in sehr exponierter Weise für eine demokratische und rechtsstaatliche Entwicklung und für wirtschaftlichen Aufschwung stehen“. Kanzler Schröder habe sich „sehr eingelassen auf diese Länder“, habe Zeit gefunden und Sensibilität bewiesen „für die große Not und das Elend“ und in seinen Reden „auf jedes Pathos verzichtet“, so Scherf angetan. Markus Jox