Kürzen für Bildung

Bei der „Kürzungs-Betroffenen-Olympiade“ üben sich 250 Teilnehmer im Baumstammkürzen und Tauziehen

Diese lustigen Deutschen! Die drei Japaner staunen und grinsen im Rhythmus des Klickklick ihrer Fotoapparate. Eigentlich wollten sie sich an diesem Samstag nur das Brandenburger Tor ansehen. Nun stehen sie inmitten von etwa 250 meist jungen Menschen, die Strohballen über den vereisten Pariser Platz schieben und dabei laut johlen. Daneben ziehen Menschen in Müllsäcken gehüllt an einem Seil mit Geldsäckchen. „Tauziehen um Bildungsgelder“ steht auf einem Schild daneben.

Aufklärung über das eigenartige Gebaren der Berliner gibt es an einem Infostand: Hier findet die „Kürzungs-Betroffenen-Olympiade“ statt, organisiert von Studenten der Rehabilitationswissenschaften der HU, unterstützt von GEW und Ver.di. Anita Mukherjee vom Organisationsteam berichtet interessierten Passanten und Touristen über die Hintergründe der Olympiade. „Es geht hier nicht nur um die Studenten“, erklärt Mukherjee, „sondern um alle Gruppen, die von den Kürzungen im Bildungs- und Sozialbereich betroffen sind.“ So seien neben Teams verschiedener Institute der Berliner Unis auch eine Schülergruppe und verschiedene Behindertensportvereine am Start. Auf dem gemeinsamen Flyer wird neben den Kürzungen im Hochschulbereich unter anderem die Streichung des Sozialtickets, die Kürzung von Weihnachtsgeldern im öffentlichen Dienst und die Streichung des Blindengeldes verurteilt.

Lars Böhme, Mitarbeiter der Inter Neukölln Lebenshilfe, hat mit einem Team von zehn Behinderten an der Olympiade teilgenommen und lobt die gute Stimmung. „Solche gemeinsamen, übergreifenden Aktionen sind sehr wichtig“, betont er. Doch leider hätten noch nicht alle erkannt, wie wichtig es sei, sich zusammenzuschließen, um etwas zu erreichen, bedauert Manuela vom Organisationsteam: „Es hätten schon noch ein paar mehr Anmeldungen sein können, besonders die Schulen haben eher zurückhaltend reagiert.“

Später bei der Siegerehrung jubelt das Team Blau, die Umweltwissenschaftler der TU. Sie haben den ersten Platz belegt, „weil wir so gut im Baumstämmekürzen waren“, sagt Angela aus dem Siegerteam. Ihr Gewinn: Ein Gutschein über eine Professur. Die Stimmung ist ausgelassen, die Sonne scheint, da hört auch kaum noch jemand genauer hin, als später ein Redner von der Tribüne mit sich überschlagender Stimme „Verfassungsbruch!“ keift und „die Regierung Schröder ganz klar“ zum Rücktritt auffordert.

Vor der Bühne brennt tapfer das olympische Feuer. Es ist kaum größer als ein brennendes Streichholz. Eine Sparflamme eben. MAREN BEKKER