Ab dem 11. Semester zahlen

SPD-Fraktion will nur noch Regelstudienzeit plus 20 Prozent kostenfrei lassen. Sarrazin: ,,Zündstufe eins“ für Einführung von Studiengebühren. Spekulationen über künftigen Landesvorstand der Partei

AUS LEIPZIG ROBIN ALEXANDER

Wer die Regelstudienzeit um mehr als ein Fünftel überschreitet, soll für sein weiteres Studium zahlen. Dies beschloss die SPD-Fraktion am Sonntag auf einer Klausurtagung. Ab dem Sommersemester 2005 wird in Berlin ein Studienkontenmodell eingeführt. Gestern entschied die SPD, wie dies ihrer Meinung nach konkret aussehen soll: „Wer sein Bildungsguthaben in Höhe der Regelstudienzeit um 20 Prozent überzieht, muss neue Credit Points erweben.“ Die SPD legte sich nicht fest, wie teuer ein Seminar oder eine Vorlesung werden soll. 500 Euro pro Semester ist jedoch die Vorstellung der meisten Abgeordneten.

Interessant ist: Sowohl die Anhänger des Studienkontenmodells als auch die Anhänger von Studiengebühren ab dem ersten Semester, stimmten für diesen Antrag. Eine Mehrheit der Abgeordneten lehnt Gebühren als „unsozial“ ab. Sie hoffen, mit dem Kontenmodell die Einführung von Gebühren verhindern zu können. Eine starke Minderheit, zu der auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Finanzsenator Thilo Sarrazin gehören, glaubt hingegen, das Kontenmodell sei der erste Schritt in Richtung Gebühren, die sie für sinnvoll und unvermeidbar halten. Sarrazin sprach nach dem Beschluss von „Zündstufe eins“ für Studiengebühren.

Fraktionschef Michael Müller, ebenfalls ein erklärter Anhänger von Studiengebühren, forderte gestern die PDS auf, sich zum Studienkontenmodell ihres Bildungssenators Thomas Flierl zu bekennen. „Wir haben ein Signal gesendet. Das Signal der PDS-Fraktion steht noch aus.“

Den innerparteilichen Streit, ob man der Haushaltskonsolidierung weiter höchste Priorität einräumen solle, entschieden an diesem Wochenende die Sparskeptiker für sich. Müller stellte die Tagung unter die Parole: Nicht über Zahlen reden! Das gelang: Am Rande der Klausur wurde dem Finanzsenator sogar die Finanzierung von 251 Erzieherinnenstellen abgerungen, die wegen sinkender Kinderzahlen eigentlich überzählig sind.

Tatsächlich bestimmten diesmal nicht die Haushaltspläne die Klausur – sondern die Personalpläne. Die SPD wählt in diesem Jahr ihre Führung neu. Die Frage, die die Tagung in Atem hielt: Will Ursula Engelen-Kefer in den Vorstand? Ja, wirklich: Engelen-Kefer, die mächtige stellvertretende DGB-Vorsitzende, die Florian Gerster aus dem Amt befördert hat. „Es ist nur ein Gerücht“, seufzte Müller, „aber ein Gerücht, das ernsthaft diskutiert wird.“ Gesichert ist: Es gab schon ein Vieraugengespräch mit dem Parteivorsitzenden Peter Strieder. Engelen-Kefer schrieb einen Brief an den Vorstand und nahm an dessen letzter Sitzung teil. Sie hat zudem zweimal Treffen der „Berliner Linken“ besucht. Diese frisch gegründeten Klüngelrunde plant, die Parteirechte Anette Fugmann-Heesing bei den Neuwahlen im Sommer aus dem Vorstand zu kicken. Kefer selbst konnte am Gerster-Wochenende niemand erreichen.

Die Spekulation über Kefer ist bezeichnend für die Berliner SPD. Warum sollte, wer bei Sabine Christiansen mit Hans Olaf Henkel um die Vermögenssteuer streiten darf, mit Peter Strieder um das Sozialticket zanken wollen? Die Sehnsucht nach einer Parteiführung, die mehr tut, als Regierungshandeln für alternativlos zu erklären, ist so stark geworden, dass auch tagsüber geträumt wird.

Denn eine echte Herausforderung für den immer desinteressierter wirkenden Parteichef Strieder ist nicht in Sicht. Die Linken wollen mit Christina Lindenberg und Marc Schulte zwei wenig bekannte Bezirkspolitiker gegen die Vorstandsmitglieder Fugmann-Heesing und Sven Vollrath ins Rennen schicken. Bei den konservativen Sozialdemokraten erbt Fritz Felgentreu von Frank Bielka den Bezirkvorsitz in Neukölln und den Führungsanspruch im rechten Britzer Kreis.