„Das wird schon wieder“

Pascal Hens vom HSV Hamburg und Christian Zeitz vom THW Kiel fielen in der Handball-Nationalmannschaft vor allemdurch ihre jugendliche Unbekümmertheit auf. Bei der EM in Slowenien fehlt den beiden 23-Jährigen bisher diese Leichtigkeit

AUS KOPER ERIK EGGERS

Christian Schwarzer sitzt auf der Auswechselbank, ganz außen, fernab vom Geschehen. Der Kreisläufer wirkt ausgepumpt, seine Augen blicken ins Leere. Bundestrainer Heiner Brand hat ihn, die unersetzbare Stammkraft vom TBV Lemgo, eine Viertelstunde vor dem Schlusspfiff vom Feld genommen, das Turnier ist noch lang, Schwarzer soll sich erholen, und die Führung gegen Polen ist hoch. Am Ende gewinnen die Deutschen ihr zweites Gruppenspiel bei der Handball-EM in Slowenien mit 41:32 und ziehen damit bereits vor gestrigen Partie gegen Frankreich (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet) in die Hauptrunde ein. Auch von Schwarzer ist plötzlich jedwede Spannung gewichen.

Doch dann ereignet sich sechs Minuten vor dem Ende eine Szene, die ihn nochmals aufwühlt. Pascal Hens, der baumlange Kerl im halblinken Rückraum vom HSV Hamburg, erzielt mit einem famosen Sprungwurf sein einziges Tor. Der Treffer zum 39:29 hat eigentlich nur statistischen Wert, doch Schwarzer, der fast 300 Länderspiele auf dem Buckel hat, ballt seine Hände zu Fäusten und bewegt sich Richtung Hens. Als er vor ihm steht, schüttelt er dessen schmalen Körper, als wolle er ihn aus einem Koma wachrütteln. „Siehst du“, schreit er Hens an, „es geht doch! Konzentrier dich auf das, was du kannst!“ Am nächsten Tag sagt Hens: „Genau das ist es, was uns in den letzten Jahren so stark gemacht hat.“ Der fighting spirit im Team, die gegenseitige Unterstützung, das Anfeuern während des Spiels. Vor allem dann, wenn es einmal nicht so läuft. So wie derzeit bei ihm und Christian Zeitz, dem Halbrechten vom THW Kiel.

Die Situation der beiden Benjamine im Team ist nicht ganz unähnlich: Sowohl Hens als auch Zeitz katapultierten sich bei der letzten WM in Portugal, bei der es zum zweiten Platz reichte, ins Licht der Öffentlichkeit. Hens vertrat die ausgefallenen Frank von Behren und Daniel Stephan derart herausragend, dass er bald darauf, nach seinem Wechsel von der SG Wallau zum HSV, zum am bestverdienenden Handballprofi Deutschlands reüssierte. Zeitz, der in den letzten beiden WM-Partien den verletzen Volker Zerbe ersetzte, verblüffte die Fachwelt mit seiner Chuzpe und geradezu sensationellen Würfen aus dem Stand, seinen Armzug vergleichen die Kenner seitdem mit einem Katapult.

Auch Zeitz, der noch bis zum Sommer in der 2. Liga bei der SG Kronau spielte, ist nun bei einem Topverein im Einsatz, beim Branchenführer THW Kiel. Den turmhohen Erwartungen jedoch konnten beide nur bedingt entsprechen. Auch in diesem EM-Turnier sind sie bisher noch nicht so recht zum Zuge gekommen.

Die Form von „Pommes“, wie Hens seiner schlaksigen Figur wegen genannt wird, ist so unbeständig, dass Bundestrainer Heiner Brand gegen Polen erstmals wieder Daniel Stephan in die ersten Sieben stellte. Stephan absolvierte eine glänzende erste Halbzeit, Hens musste lange zusehen und bekam nur fünf Minuten Einsatzzeit. „Wenn es so läuft“, sagt Hens, „hat der Trainer keinen Grund, mich einzuwechseln.“ Zumal: In der ersten EM-Partie, die überraschend gegen Serbien und Montenegro verloren wurde, warf Hens viele Bälle aus Situationen, die eigentlich keine Torgelegenheit darstellten und musste sich danach massive Vorwürfe vom Trainer gefallen lassen. Auch Zeitz bekam bisher kaum Möglichkeiten, seine Qualitäten zu zeigen. Denn vor ihm steht derzeit Routinier Volker Zerbe – und der ist glänzend eingespielt mit seinen Vereinskollegen Baur und Stephan aus Lemgo.

Stecken die beiden Youngsters also in einer Krise? Brand würde das niemals so formulieren. „Wir werden ihre Tore noch brauchen“, sagt er vielmehr. Und: „Wir sind auf jeden Spieler angewiesen in einem solchen Turnier.“ Außerdem hofft der Bundestrainer darauf, dass die beiden über Steigerungspotenzial verfügen – und sich zu alter Stärke hochschaukeln lassen. „Das ist bei so einem Turnier ja immer so ein Hochkämpfen in der Hierarchie der Mannschaft“, sagt Brand und lässt keinen Zweifel daran, dass der Stellenwert der erst 23-Jährigen schon „durch die beiden letzten Turniere um einiges gestiegen“ ist.

Diese Wertschätzung mag der Grund sein, warum Hens und Zeitz trotz der momentanen Formschwäche einen ziemlich lässigen Eindruck hinterlassen. „Wir sagen uns: Das wird schon wieder“, sagt beispielsweise Hens, „wir machen uns keinen großen Kopf drüber.“ Soll heißen: Bald sollen die Gegner wieder unter der Unbeschwertheit der beiden leiden.