berliner szenen Auf der Kunstparty

Ins Bodenlose

Die Kunstkolumnistin saß mit einem Herrn ihres Alters auf dem Sofa. Der Ort am gefühlten anderen Ende der Party, in der Küche sozusagen, war gut gewählt. Sonst war alles in Bewegung. Ein Geschiebe durch Flure und Räume. Und über allem schwebten drohend die Dolden der Diskokugeln, ein Zeitzeichen, sicherlich. Ein New-Wave-Raum lockte mit Eiseskälte und Barkunst in Berliner Hängung. Nichts für Manni. Er hoppste, was sein 1.000-Volt-Body hergab. Der DJ, selbst eine Ikone, hatte einen Knoten im Kopfhörerkabel, und eine Schöne rumste andauernd mit dem Hintern gegen das Pult und ließ die Nadeln hüpfen. Das galt es auszuhalten, und es gelang.

Dann kam der Wendepunkt. Manni war nur kurz weg gewesen. Aber als er mit zehn Piccolo-Wasserflaschen im Arm zurück aufs Parkett gerannt kam, war nichts wie vorher. Einige berühmte Schriftsteller waren eingetroffen und eine Menge zweifellos hübscher Frauen. Ein stadtbekannter Blogger schoss durch die Reihen der Tanzenden und blieb abrupt vor dem DJ-Pult stehen und hielt einen Denkpartikel fest. Was war denn geschehen? Die Wasserflaschen wurden Manni langsam schwer. Da entdeckte er den Harry-Potter-Hut hinterm Mischpult. Manni überlegte kurz, ob das ein Party-Gag war, einen Proll-DJ zu buchen zu Halloween. Aber das ist doch … Ihm fiel der Name nicht ein. Uckermark? Hindenburg? Ein Künstler, Manni war ganz sicher. „Was macht denn der Künstler da?“, fragte er eine Spur zu laut. Der Künstler versenkte die von der Ikone Track für Track hochgepushte Stimmungslinie gekonnt ins Bodenlose. Manni musste zusehen, wohin mit seiner Energie. Er warf die Wasserflaschen hin und sprintete los: Irgendwo weiter hinten lief „Born Slippy“ von Underworld. SASCHA JOSUWEIT