Ganztagsschule lohnt sich

Die deutsche Halbtagsschule spielt in Europa eine Sonderrolle. Gleichstellungsstelle und Arbeitnehmerkammer legten eine vergleichende Dokumentation vor

taz ■ „Pisa ist für mich ein Geschenk“, so drastisch formuliert es Ulrike Hauffe, Bremens Gleichstellungsbeauftragte. Weil es endlich zu einer radikalen Infragestellung des Schulsystems kommt. Die Gleichstellungsstelle und die Arbeitnehmerkammer haben eine Studie zu „Ganztagsschule in Europa“ vorgestellt, aus der deutlich wird: Die Halbtagsschule ist nicht mehr als ein deutscher Sonderweg. Und, wie man dank Pisa weiß, kein erfolgreicher.

Besonders freut Hauffe, dass nun auch das Märchen widerlegt ist, dass die Kinder von „Hausfrauen-Müttern“ in der Schule bessere Leistungen erbringen würden. Deutschland ist Schlusslicht, was die Frauenerwerbsquote angeht, und Bremen ist Schlusslicht in Deutschland. Nur eine über Mittag andauernde Betreuung der Schulpflichtigen Kinder kann das ändern. Pädagogisch wertvoll ist dabei, das ist Hauffes Überzeugung, nicht die unverbindliche Ganztagsschule in unzureichenden Räumen, wie sie derzeit in Bremen zum Modell wird. Eine richtige Ganztagsschule verteilt Unterricht und andere Angebote nach pädagogischen Prinzipien über den Tag, muss also für alle verbindlich sein.

Auch die Arbeitnehmerkammer nennt nicht nur die „Vereinbarkeit von Arbeit und Familie“ als sozialpolitisches Argument für die Ganztagsschule. „Wir brauchen mehr Kinder“, sagt Margareta Steinrücke. In Frankreich etwa, lehrt der Blick über die Grenze, werden 35 Prozent der 2-Jährigen in der „École maternelle“ betreut. Bei uns muss sogar um Hortplätze gekämpft werden. Dabei macht ein gutes Kinder-Betreuungsangebot „die Stadt attraktiv“.

„Wir reden hier immer über Arbeitsplätze und Einwohner“, beklagt sich Hauffe, „aber wer zieht ins Umland“? Das seien doch die jungen Familien mit einem Alleinverdiener. Wenn den Frauen durch Kinder-Betreuung die Chance geboten würde, ihren Beruf weiterzuführen, erübrige sich meist die Frage nach dem Umzug ins ferne Grüne – das Pendeln für zwei kostet viel zu viel Zeit und Geld. Ein Angebot der qualifizierten Kinderbetreuung „ist Wirtschaftsförderung“, sagt Steinrücke. Viele Unternehmen hätten das begriffen und für ihre Mitarbeiterinnen gute Angebote finanziert. kawe