Jung, planlos und ungewollt

Das Arbeitsamt spart. Zu spüren bekommen es jetzt auch die Jugendlichen. Die Berufsvorbereitung – Orientierung und Befähigung zwischen Schule und Lehre – wird bundesweit gestrichen. Bremer Träger schlagen Alarm

taz ■ Heute früh um neun eröffnet Bürgermeister Henning Scherf die Lernmesse 2003 im World Trade Center, eine Stunde später kommt auch Bildungssenator Willi Lemke, es präsentieren sich zahlreiche Bildungsträger und das Arbeitsamt ist auch mit einem Stand vertreten. Wer sich einen Job sucht und dafür die passende Qualifizierung braucht, ist hier richtig – so zumindest der hehre Anspruch. Die Realität ist anders und bitter. Denn zumindest junge Menschen haben hier heute nichts zu suchen. Die Bundesanstalt für Arbeit hat die Mittel für die so genannte Berufsvorbereitung gestrichen. In Bremen trifft das nach ersten Schätzungen rund 1.000 Personen.

Wer nicht mehr zur Schule geht, aber auch noch keinen Ausbildungsplatz hat, ist ein Kandidat für eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme. Hier lernt er oder sie, wie man einen Lebenslauf verfasst, lernt Englisch, Wirtschaft oder erstmal deutsch. Viele Aussiedler und Ausländer sind unter den rund 1.000 Teilnehmern in Bremen, viele schwache Hauptschüler – „die Schwächsten eben“, sagt Heidemarie Voß von der Wirtschafts und Sozialakademie (Wisoak), das zum Netzwerk der berufsvorbereitenden Träger gehört. Dieses Netzwerk schlägt jetzt Alarm. Denn die Absage aus Nürnberg kam gänzlich unerwartet. Ursprünglich sollte der Topf, aus dem die Berufsvorbereitung bezahlt wird, sogar aufgestockt werden: von 813 Millionen im vergangenen Jahr auf 998 Millionen in diesem Jahr. Stattdessen erreichte Voß am Montag ein lapidarer Brief des Bremer Arbeitsamtes: „Aufgrund der momentanen Haushaltssituation ist es mir jedoch derzeit nicht möglich, die Maßnahme erneut durchzuführen“, schreibt der zuständige Amtsmann. „Die Maßnahme“ in der Wisoak umfasst immerhin 250 Menschen zwischen 17 und 24 Jahren. Menschen wie Tanja, 21, die sagt: „Ich hab noch nie einen Lebenslauf geschrieben. Hier hab ich‘s gelernt.“ Oder wie Lorena, die seit zweieinhalb Jahren in Deutschland ist und über die Wisoak einige Praktika absolviert hat: „Ich hab hier rausbekommen, dass ich nicht Arzthelferin oder Friseurin werden kann, weil ich Allergie bekomme.“ Oder Mario, 20, und Sascha, 24, die demnächst eine Ausbildung bei Karstadt beginnen. „Da hätte ich mich selber nicht beworben“, sagt Sascha. „Die hätten dich so auch nicht genommen“, sagt Lehrerin Ingrid Schumann.

Für alle Marios und Saschas, Lorenas oder Tanjas, die in diesem Jahr an einem solchen Kurs der Wisoak oder der anderen elf Träger in Bremen teilgenommen hätten, gibt es jetzt nur eine Alternative: zurück in die Schule. In Bremen muss jeder zwölf Jahre zur Schule gegangen sein, die Berufsvorbereitung zählt dazu, zumal sie mit der Allgemeinen Berufsschule verzahnt ist. Wenn die Vorbereitungskurse wegfallen, gilt für rund die Hälfte der Kandidaten: zurück auf die Bank der Berufsschule. Deren Kollegium zeigt sich in einem Schreiben „entsetzt und empört“ über die Amtsankündigung und fordert angesichts des Lehrstellenmangels, die Maßnahmen „mindestens beizubehalten bzw. diese eher weiterzuentwickeln.“

Und so war es in Nürnberg ja eigentlich auch geplant. Arbeitsmarktforscher Paul M. Schröder nennt die Berufsvorbereitung „eine ganz wichtige Maßnahme besonders für die, die noch nicht in der Lage sind, eine Ausbildung zu beginnen.“ Im vergangenen Jahr betrug der Bundeszuschuss für die BA 5,62 Milliarden, dieses Jahr soll er bei null liegen. „Absurd“ findet Schröder, wie die Bundesanstalt nun versuche, ihrem Ziel – null Zuschuss – näherzukommen. Aber, sagt er, „die Jugendlichen kosten Herrn Gerster ja nichts“. Denn die Wenigsten von ihnen haben einen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Sie können dann sehen, wo sie bleiben. Wie Sonja, 22. Vor drei Tagen hat sie den Kurs an der Wisoak – als „offener Kurs“ können hier jederzeit Teilnehmer beginnen – begonnen. Statt bis nächstes Jahr bleibt nun gerade mal bis September Zeit, sich in Praktika zu orientieren und eine Lehrstelle zu finden. Denkt sie an danach? „Nee“, sagt Sonja. „Dann“, so Cevdet, 20, und grinst nicht wirklich, „können wir die Arbeitslosenquote ein bisschen erhöhen.“ Susanne Gieffers