Berlin vermittelt Gefangenenaustausch

Israel und die libanesische Hisbullah wollen Gefangene und Tote übergeben. Auch der Deutsche Smyrek ist dabei. Um den vermissten Israeli Ron Arad soll es erst in einer weiteren Verhandlungsrunde gehen. Dabei wird auch der Iran eine Rolle spielen

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Unter deutscher Vermittlung haben sich Israel und die libanesische Hisbullah-Miliz auf einen umfassenden Gefangenenaustausch geeinigt. Der Austausch soll am Donnerstag erfolgen, hieß es gestern aus Berliner Regierungskreisen – für einen Teil der Betroffenen laut israelischem Außenministerium auf dem Flughafen Frankfurt am Main –, obwohl es mit dem Auto zweifellos am schnellsten ginge. Der Vereinbarung zufolge wird Israel 400 Palästinenser, mehr als 30 Bürger anderer arabischer Staaten und einen Deutschen freilassen sowie die sterblichen Überreste von 59 Libanesen übergeben. Die Schiitenmiliz wird dafür den Israeli Elhanan Tenenbaum freilassen und die Leichname dreier entführter israelischer Soldaten übergeben.

„Selten zuvor musste sich die Regierung einem derart moralischen Dilemma stellen“, begann Israels Premierminister Ariel Scharon gestern die Kabinettssitzung, in der er über den Abschluss des Geiselhandels mit der Hisbullah berichtete. Die Minister befürworteten mehrheitlich die Freigabe zweier weiterer Häftlinge, die zunächst nicht für einen Austausch vorgesehen waren, darunter des Deutschen Steven Smyrek, der Ende der 90er-Jahre wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und seines Geständnisses, ein Attentat in Israel geplant zu haben, zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war. Mit Hilfe deutscher Vermittlung, allen voran des Geheimdienstkoordinators im Bundeskanzleramt, Ernst Uhrlau, konnten die Verhandlungen zu einem Ende gebracht werden. Sie hatten bereits begonnen, kurz nachdem die drei israelischen Soldaten im Oktober 2000 in Geiselhaft gerieten.

Wie die Botschaft in Tel Aviv mitteilte, handelte Deutschland entsprechend der „internationalen Verpflichtung“ hinsichtlich „humanitärer Angelegenheiten“. Die Bundesrepublik war in den vergangenen Jahren aufgrund ihrer Handelsbeziehungen zum Iran wiederholt heftig von Israel kritisiert worden. Gleichzeitig gab es kaum einen Bundesaußenminister, der in den letzten zwanzig Jahren Israel besuchte, ohne die Familie des im Libanon vermissten Ron Arads zu treffen, die sich diese Verbindungen zunutzen zu machen hoffte.

Das Schicksal des vermissten Navigators bleibt allerdings zunächst unklar. Gegenüber dem israelischen „Channel 2“ versprach Uhrlau, dass der Fall „innerhalb von zwei bis drei Monaten“ zur Aufklärung kommen werde. Zu diesem Zweck soll ein Komitee von Vertretern aus der Bundesrepublik, Israel und der Hisbullah einberufen werden. Israel hält als Faustpfand den libanesischen Terroristen Samir Kuntar zurück, der vor knapp 25 Jahren Vater und Kind einer israelischen Familie getötet hatte. Die Hisbullah ließ sich auf die von Uhrlau vorgeschlagene Lösung ein, die lediglich Informationen, nicht jedoch die Auslieferung Arads umfasst. Darum soll es erst in einer weiteren Verhandlungsstufe gehen.

Hisbullah-Chef Hassan Nasrallah bezog sich gestern vor Journalisten in Beirut auf diese neue Runde, bei der es auch um weitere Entlassungen ginge. Nasrallah rief alle arabischen Staaten auf, ihm die Namen von Häftlingen mitzuteilen, die in Israel festgehalten werden: „Ich kann für niemanden die Entlassung fordern, wenn ich nicht weiß, wie er heißt.“ So habe er auch mit Blick auf die Palästinenser nur die Freilassung derer verlangt, die ihm bekannt gewesen seien. Die palästinensische Autonomiebehörde bestätigte, dass es keinen Kontakt zur Hisbullah in der Frage des Gefangenenaustausches gegeben habe.

Ob Nassrallah weitere Entlassungen erreichen wird, ist insofern fraglich, als Hisbullah stets abgestritten hat, im Besitz von Informationen über Arad zu sein. Die Tatsache, dass Mustafa Dirani, ein führender Hisbullah-Aktivist, der Mitte der 90er-Jahre von einem israelischen Sonderkommando entführt wurde, zu den Männern gehört, die diese Woche freikommen, deutet darauf hin, dass Hisbullah offensichtlich nicht die richtige Adresse ist, um mehr über Arad zu erfahren.

Der Schlüssel könnte vielleicht im Iran liegen. Die Regierung in Teheran hat, Berichten zufolge, bereits beim jetzigen Austausch geholfen. Bei den kommenden Verhandlungen soll auch das Rätsel um vier im Libanon vermisste iranische Diplomaten gelöst werden. Berichten von „Channel 2“ hatten Mossad-Mitarbeiter das Verschwinden der Männer 1982 beobachtet und Teheran einen kompletten Bericht über die Umstände zukommen lassen.

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