Totgesparte leben länger

Keine Fusion der vier Berliner Kunsthochschulen, im Gegenteil: Expertenkommission will Eigenständigkeit erhalten, Qualitäten und Profile der Kunstausbildung ausbauen. Vom Kultursenator bis zur CDU freuen sich alle, obwohl noch 3,6 Millionen fehlen

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Es ist kein Geheimnis, dass Berlin seine kulturpolitische Bedeutung gern mit der von Paris oder London vergleicht: hier das Kulturforum und die Museumsinsel, dort die Sammlung des Louvre, hier die Theater- und Opernlandschaft und dort das Westend. Bei einem Vergleich der Ausbildungsstätten für Kunststudenten steht die Hauptstadt jedoch nicht so glorreich da: 22.660 Studenten werden zurzeit an den Pariser Kunsthochschulen ausgebildet, 25.000 Studierende an 28 kunstakademischen Einrichtungen büffeln in London. Mit ca. 4.460 Plätzen für rund 5.800 Kunststudenten liegen Berlins vier Kunsthochschulen im europäischen Mittelfeld.

Es war nicht nur der Blick über die Grenzen hinweg, der die Expertenkommission zur Zukunft der Berliner Kunsthochschulen statt für Einschränkungen und Fusion für den Erhalt und die Eigenständigkeit der Institute plädieren ließ. Neben der Stärkung Berlins „als internationale Kulturmetropole“ hätten die Häuser „ihren unbestrittenen Rang in Ausbildung und Lehre“ bewiesen. Darum sollen, trotz angespannter Haushaltslage, laut Gutachten die drei kleineren Kunstschulen erhalten bleiben und enger zusammenarbeiten, diese und die Universität der Künste keinem weiteren Stellenraubbau unterworfen werden. Schließlich ist geplant, nach dem Vorbild der Universitäten für die Kunstschulen langfristige Hochschulverträge abzuschließen.

Nach den Debatten um mögliche Schließungen hatte der Senat im Mai 2002 Kultursenator Thomas Flierl (PDS) beauftragt, eine Kommission zur Evaluierung der Universität der Künste, der Hochschulen für Musik „Hanns Eisler“ und für Schauspiel „Ernst Busch“ sowie der Kunsthochschule Berlin-Weißensee einzusetzen. Nach Gesprächen mit den Kunsthochschulen legten am Mittwoch die Kommission und Flierl das Gutachten vor, das nun von den Schulen geprüft werden soll. Bis zum kommenden Jahr will das Land die Ergebnisse umsetzen. Zudem strebt Flierl an, die Kunsthochschulen bereits ab 2004 in das System der Hochschulverträge einzubeziehen, die mit den Universitäten für 2006 bis 2009 derzeit verhandelt werden.

Nach Ansicht von Erich Thies, Expertenmitglied und Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, ist man „zu dem Urteil gekommen, dass die Kunstschulen in ihrer bisherigen Struktur erhalten bleiben sollen“, stellten sie doch mit ihren „hohen Qualitäten“ ein unverzichtbares Element für den Ausbildungssektor dar. Eine angedachte Fusion oder auch ein „gemeinsames Dach als eine Art Holding-Modell“ sei „verworfen“ worden, da weder „Synergieeffekte“ zu erwarten seien noch die „ausgeprägte Profilbildung“ der Schulen gesichert werden könnte.

Zur Profilierung, sagte Thies, gehöre auch, unnötige Strukturen abzubauen. So soll der Studiengang Architektur in Weißensee wegen geringer Kapazitäten eingestellt werden. Der Studiengang Kultur- und Medienmanagement soll von „Hanns Eisler“ an die Universität der Künste verlagert werden. Außerdem werden die Verlagerung von Studiengängen wie Bühnenbild und Design anvisiert und hochschulübergreifende Zentren und Serviceleistungen gebildet. Schließlich sollen sich die Hochschulen bei der Berufung von Professoren abstimmen.

„Keine Kürzungspotenziale“ sieht die Kommission hingegen in den Lehr- und Verwaltungsbereichen der Häuser. Dieter Simon, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, kritisierte, in den vergangenen zehn Jahren sei „die Hälfte des Personals totgespart“ worden. Simon warnte vor einer weiteren Reduzierung der Kapazitäten – zu Lasten von Ausbildung und Lehre.

So hatte die UdK zwischen 1991 und 2002 schon etwa ein Drittel ihres Lehrkörpers (von 278 auf 183) abgebaut. Bei der Kunsthochschule Weißensee wurden 46 Prozent (19 Stellen) und der Schauspielschule gar 54 Prozent (25,5 Stellen) des Personals reduziert, um Einsparvorgaben nachzukommen. Immer neue Kürzungen hatten zugleich die Existenz der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ ernsthaft in Frage gestellt. Allein 2002/2003 sollten alle drei Ost-Kunstschulen nochmals 1,7 Millionen Euro einsparen, was nur mit Unterstützung aller Universitäten im Umfang von 1 Million Euro erreicht werden konnte.

Flierl begrüßte die Empfehlungen; damit würde die „Stellung der Hochschulen in der Universitätslandschaft gehoben“. Die vom Finanzsenator für die Häuser geforderten Einsparungen in Höhe von 3,6 Millionen Euro bis 2006 sollten von allen Unis geleistet werden. CDU-Kulturexpertin Monika Grütters lobte das Gutachten ebenfalls, weil „Qualität und Eigenständigkeit der Kunsthochschulen“ erhalten blieben. Der Präsident der Universität der Künste, Lothar Romain, warnte vor zu viel Euphorie. Erst die Sicherung der Etats könne den Fortbestand der Hochschulen garantieren.