Zickenzoff zur rechten Zeit

Am Ende einer durchwachsenen Saison will Anni Friesinger in Berlin ihren WM-Titel über 1.500 Meter verteidigen und sieht sich dabei Sticheleien ihrer Konkurrentin ausgesetzt

BERLIN taz ■ Wenn man Anni Friesinger zu Hause besucht, also auf ihrer Homepage im Internet, purzeln die Buchstaben wild durcheinander. Ein paar Sekunden geht das so, bevor sie sich fein säuberlich zum Namen zusammensetzen und zur Sportart, die der Name betreibt. Dann fallen die Buchstaben wieder übereinander her, nach ein paar weiteren Sekunden ist man wirklich bei Frau Friesinger angekommen, und das Erste, was man dort erfährt, ist, dass Annis neuer Fan-Shop ab sofort online ist. Einen Klick später kann man ein Poster bestellen, auf dem Anni so blass zurechtgeschminkt ist, als besuche sie gleich eine Gothic-Party, nur ihre Augen leuchten blau. Eisblau. Oder man kann sich ein Schlüsselumhängeband mit ihrem Namenszug schicken lassen, am besten zusammen mit einer Halskette für 69,50 Euro. Oder einem Ohrstecker aus Titan-Swarovski-Kristallen. Oder einen Bauchnabelschmuck aus Titan. Außerdem lernt man, dass Anni am liebsten bei Altra Moda in Traunstein shoppen geht („mit vielen italienischen Designern“), gerne nach Calgary reist, oder bevorzugt „leckere Cocktails“ im Daimlers in Salzburg schlürft.

All das erfährt man, wenn man Anni zu Hause besucht. Sie ist halt so: ein Girlie – jung, blond, unbeschwert – und manchmal auch ein wenig offenherzig. Aber das ist nur die eine Seite, jene, die den Spiegel dazu veranlasst hat, sie „in die Liga von Jenny Elvers und Naddel“ zu drängen, in die Luder-Liga. Es war die Zeit von Olympia in Salt Lake City, Stichwort: Zickenzoff und Busenkrieg. Friesinger gegen Claudia Pechstein, ihre Konkurrentin, neben wie auf der Eisbahn. Das Duell hat das Eisschnelllaufen erst richtig interessant gemacht. Und Anni und ihr Management haben dabei durchaus mitgedreht, zumindest am Anfang – und mit dem ein oder anderen erotischen Foto, Anni macht ja was her. Dann aber ist ihnen die Sache entglitten, Anni war plötzlich zur Oberzicke mutiert, zum Eisluder. „Da ist teilweise das falsche Bild entstanden“, musste Klaus Kärcher, ihr Manager, zugeben. „Ich kann Erfolge vorweisen“, hat Anni gesagt. Luder können das nicht, sollte das heißen.

Auch von diesen Erfolgen erfährt man natürlich, wenn man Anni zu Hause besucht, zum Beispiel von ihrem WM-Titel im Mehrkampf 2001 oder von ihrem Olympiasieg vergangenen Winter. Und auch das Weltcuprennen in Bagela di Pine, bei dem die Sechsundzwanzigjährige aus Inzell Mitte Februar ihre ersten beiden Weltcuperfolge in dieser Saison erlaufen hat, ist erwähnt. „Cooool!!!“, findet Anni die beiden Siege, auch wenn sie sich erst spät in der Saison eingestellt haben und es schon Winter gab, in denen sie erfolgreicher war. Aber das lässt sich erklären: Anni musste sich im Sommer im rechten Knie operieren lassen, was den Saisonstart doch erheblich verzögerte; just als sie endlich die passende Form fand, setzte sie Ende Januar ein Magen-Darm-Infekt schachmatt. „Immer wenn Anni richtig in Fahrt war, gab es einen Rückschlag“, fasst Trainer Markus Eicher das zusammen. „Das hat Körnchen gekostet, körperlich wie psychisch“, sagt Friesinger.

Und es hat dazu geführt, dass es in diesem Winter etwas ruhiger geworden ist um die Eisschnellläuferin Anni Friesinger, man könnte auch sagen, dass wieder ein bisschen Normalität eingekehrt ist. Friesinger war einfach zu sehr mit sich selbst beschäftigt und mit all ihren Wehwehchen, als dass sie sich auch noch um Claudia Pechstein hätte kümmern können und um die Fortsetzung von all dem Zoff. Ohnehin hat sie davon die Schnauze voll, vielleicht auch deshalb, weil sie in der öffentlichen Wahrnehmung am Ende eher die Böse war, die Verliererin – und Pechstein die Gute.

Damit da kein Missverständnis aufkommt: Es haben schon beide Zicken profitiert vom Zoff. Nur Pechstein eben ein bisschen mehr; Friesinger hatte ja schließlich schon davor ganz gut Aufmerksamkeit und den ein oder anderen Sponsor, eben wegen ihrer lockeren Art. Um Pechstein hingegen scherte sich kaum jemand, sie wirkt ja etwas spröde. Pechstein, so könnte man sagen, wurde erst durch ihren Streit mit Friesinger ein Thema, auch für die Sponsoren. Ist Friesinger nicht da, verblasst auch das Interesse an Pechstein, ihr Gesamtsieg im Weltcup über 3.000 m in diesem Jahr blieb eher eine Randnotiz.

So gesehen macht es Sinn, dass die Berlinerin ausgerechnet vor der Einzelstrecken-WM an diesem Wochenende in Berlin ein wenig Zoff nachlegt. Endlich ist Friesinger wieder da, endlich wird auch Pechstein wieder wahrgenommen. Das will genutzt sein, schon weil ein langer Sommer folgt. Pechstein tut es mit Sticheleien gegen Friesinger. „Ich habe fünf gute Verträge mit Sponsoren, ich glaube, auch da bin ich meiner Konkurrentin voraus“, sagt sie zum Beispiel.

Friesinger hat sich bisher zurückgehalten. Vielleicht hat sie gelernt, dass es manchmal besser ist, zu schweigen. Nur wenn die Rede aufs Sportliche kommt, erwähnt sie die Konkurrentin, etwa wenn sie Pechstein zur Favoritin über die 3.000 m erklärt, noch im gleichen Atemzug aber anfügt, dass sie schon auch auf dieser Strecke „auf eine Medaille hofft“, neben der Titelverteidigung über die halbe Distanz. Wahrscheinlich fasst Pechstein, die gestern ihren Verzicht für das 1.500-m-Rennen bekannt gab, das als Angriff gegen ihre Person auf. Wahrscheinlich zickt es weiter. FRANK KETTERER