Treue zum Hausarzt ersetzt Praxisgebühr

Krankenkassen stärken Rolle des Hausarztes: Wer immer in die gleiche Praxis geht, spart die Behandlungspauschale

BERLIN taz ■ Wer treu ist, darf sparen – mit diesem Anreiz wollen einige Krankenkassen künftig ihren Kunden locken, das „Hausarztmodell“ zu nutzen. Patienten, die stets denselben, von der Kasse gewählten Mediziner aufsuchen, brauchen die Praxisgebühr nur teilweise oder gar nicht zu bezahlen. Der Kunde spart bis zu zehn Euro, die Kasse die Ausgaben für doppelte Untersuchungen, so die Idee. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) begrüßte die Pläne.

Als Erste hatte Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) angekündigt, ab Sommer ein Bonusmodell anzubieten. Besucht der Patient nur dann den Facharzt, wenn sein Hausarzt ihn überweist, muss er weniger zu Medikamenten dazu zahlen und umgeht wenigstens teilweise die Praxisgebühr. Noch verhandelt die DAK, welche Ärzte sie für die Dauerbetreuung unter Vertrag nehmen möchte.

Gestern verkündete auch die Techniker-Krankenkasse, sie werde noch in diesem Jahr ein Hausarztmodell einführen – wann genau, sei aber ungewiss. Die AOK möchte ebenfalls Rabattprogramme anbieten. Das Gleiche erwägen die Barmer Ersatzkasse, die acht Millionen Versicherte betreut, die Innungskrankenkassen sowie die Gmünder Ersatzkasse. „Rund zehn Prozent unserer Kassen denken ernsthaft darüber nach“, sagte Florian Lanz vom Bundesverband der Betriebskrankenkassen.

Ziehen alle Kassen nach, könnte die gerade erst eingeführte Praxisgebühr hinfällig werden. Dennoch befürwortet auch Gesundheitsministerin Schmidt die geplanten Programme. Schließlich hatte sich die SPD-Politikerin immer wieder für das Hausarztmodell eingesetzt. Alle Informationen über einen Kranken bei einem Arzt bündeln, das galt ihr als wesentliches Reformziel.

Ein Teil der Kranken kann auch unabhängig vom neuen Modell die zehn Euro einsparen: Wer an Behandlungsprogrammen für Chroniker teilnimmt, soll die Praxisgebühr erstattet bekommen, beteuerten Barmer, DAK, Techniker Krankenkasse und der AOK-Bundesverband.

Versichert sein wird teurer – auch das zeichnet sich in der aktuellen Debatte ab. „Die Politik kann sich von ihrem Ziel eines durchschnittlichen Beitragssatzes von 13,6 Prozent verabschieden“, sagte der Vizevorsitzende der AOK Baden-Württemberg, Christopher Hermann. Ähnlich äußerten sich auch die Barmer-Ersatzkasse und die AOK Sachsen-Anhalt. Ralf Sjuts etwa, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Betriebskrankenkassen, rechnet mit einem Satz von 14,54 Prozent. Derzeit liegt er laut Ministerium bei etwa 14,3 Prozent. Die Kassen ärgert, was Schwerkranke freut: Die Definition, wer als Chroniker weniger zuzahlen muss, ist weiter gefasst, als Ärzte und Krankenkassen es ursprünglich vorgesehen hatten.

COSIMA SCHMITT