pampuchs tagebuch
: Forward und nicht vergessen

Krieg und Frieden gehen um im Netz. Kaum ein Tag, an dem ich nicht weitergeleitete Nachrichten aus aller Welt erhalte. Unterschriftenlisten, Proteste, Petitionen. Und immer gegen den Krieg. Die für den Krieg bekomme ich nicht, aber das hängt wohl damit zusammen, dass ich im falschen sozialen Netzwerk bin. Und wohl auch damit, dass ich keine Stimme im Sicherheitsrat habe. Die armen Mexikaner, Chilenen, Angolaner und die anderen nicht ständigen Sicherheitsratsmitglieder sind sicher schon ganz zugemüllt mit Pro-Kriegs-Mails.

 Da mache ich mir doch lieber die Mühe mit den Anti-Kriegs-Botschaften. Doch ganz geheuer sind sie mir nicht. Selbst die ernsthaftesten unter ihnen haben etwas Wohlfeiles. Bei vielen hat man das Gefühl, dass sich da irgendwelche Leute schnell und billig profilieren wollen. Sollen sie ja dürfen, doch es stellt sich mir die Frage, ob diese Online-Protestiererei nicht eine ziemlich flache Art der politischen Aktivität ist. Wenn nicht die flachste überhaupt. Sicher, es hat etwas Basisdemokratisches, mit einem bloßen Klick seine Meinung kundzutun. Jeder (zumindest jeder, der Internetanschluss hat) kann sich zu allem äußern und wird sogar aktenkundig. (Wer liest eigentlich diese Akten? Im günstigsten Fall doch wohl das FBI und die CIA.) Im Grunde jedoch zeichnet sich diese Art von Meinungsäußerung – zumindest wenn es um Krieg und Frieden geht – durch garantierte Folgenlosigkeit aus.

 Ein längeres Studium des Marktführers des elektronischen Petitionswesens www.petitiononline.com bestärkt mich in dieser Einschätzung. Ein Blick in die Tiefen dieser Mutter aller Online-Schlachten bietet immerhin einen landeskundlich interessanten Querschnitt dessen, was unsere amerikanischen Freunde derzeit wirklich umtreibt. Da gehört nämlich die unter www.petitiononline.com/avjvdg/petition zu findende Bittschrift an den UN-Sicherheitsrat für eine friedliche Lösung des Irakkrieges mit bisher 1.660 Unterschriften eher zu den mittleren Petitiönchen. Lädt man sich die „Complete List of All Active Petitions (very very long)“ mit ihren tausenden von Titeln runter und guckt sich da ein bisschen um, wird klar, dass die Amerikaner offensichtlich ganz andere Sorgen haben als den Krieg.

 Sie reichen vom Protest gegen „Körpermodifikationen bei Schoßtieren“, der sich jener Japaner schuldig macht, der in New York „bonsai cats“ fabriziert, und hunderten weiterer Tierfreundaktionen – gegen Pferdeschlachterei, gegen das Abschießen von Kojoten in Ohio, gegen chinesisches Bernhardinerfleisch in Dosen – über jede Menge Forderungen, bestimmte Fernsehsendungen abzusetzen, respektive wieder aufzunehmen, bis zu der mit fast 8.000 Unterschriften aktuellen Nummer eins der Petitionen: Oliver Wood, eine Figur aus Harry Potter, solle gefälligst auch im nächsten Harry-Potter-Film wieder auftauchen.

 Zu den aktuellen Top 25 bei petitiononline gehört übrigens – neben dem Keine-Bernhardiner-in-Dosen-Protest – eine weitere in Deutsch gehaltene Klage. Sie heißt „Rettet den Rockpalast.“ Der nämlich soll vom Sonntag auf Montag verschoben und auf eine Stunde reduziert werden. Pfui über den WDR! Schon 2.077 Unterschriften dagegen! So retten wir den Rockpalast. Gegen den Krieg aber, fürchte ich, müssen wir uns noch was anderes einfallen lassen. THOMAS PAMPUCH

ThoPampuch@aol.com