Arbeitslose kommen immer, immer wieder

CDU und FDP wollen die Arbeitsämter noch gründlicher reformieren – doch an der Beschäftigungssituation vor Ort würde das nichts ändern

BERLIN taz ■ Kurz nach der Entlassung Florian Gersters liefen CDU und FDP-Politiker zu frischer Form auf. Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle befand, Bundeskanzler Schröder und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) dürften sich nicht hinter dem „Bauernopfer“ Gerster verstecken. Niedersachens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) erklärte kurzerhand, die Bundesagentur für Arbeit (BA) stelle „mit ihrer zentralen, verkrusteten Struktur selbst das größte Problem dar“.

Die BA nach dem Abgang Gersters nun erst recht und noch gründlicher zu reformieren ist jedoch leichter gesagt als getan – und schon die Forderung führt zu Missverständnissen. Denn die BA ist heute schon regionalisierter, als es die politische Debatte vermuten lässt.

Die Bundesagentur besteht aus der Hauptstelle in Nürnberg und zehn Regionaldirektionen, denen wiederum insgesamt 181 örtliche Arbeitsagenturen (früher: Arbeitsämter) mit noch mehr kleineren Geschäftsstellen zugeordnet sind. Der ganz überwiegende Teil der rund 90.000 BA-Beschäftigten, nämlich etwa 90 Prozent, ist in den örtlichen Arbeitsämtern tätig.

Etwa ein Drittel der Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit ackert in den Leistungsabsteilungen, sind also für die Auszahlung von Arbeitslosengeld und – hilfe zuständig. Rund 45 Prozent sind in der Arbeitsberatung und -vermittlung und in der Berufsberatung für Jugendliche beschäftigt. Die BA hat einen Etat von rund 50 Milliarden Euro jährlich, davon werden über 4 Milliarden Euro für Personal- und Verwaltungskosten ausgegeben.

Bei der geplanten Reform der BA, die nicht erst mit Gerster begonnen hatte, soll vor allem die Vermittlung gestärkt werden. Der Einsatz der EDV hat die Arbeit in den Leistungsabteilungen vereinfacht, zudem wurden die Gesetze verschlankt und die Vielfalt ewa der Lohnkostenzuschüsse reduziert. Künftig sollen die Erwerbslosen auch über Call-Center Auskünfte und Hilfestellung erhalten.

In den Berliner Agenturen beispielsweise kommen auf einen Sachbearbeiter derzeit noch rund 350 Erwerbslose. Dieses Verhältnis soll auf 1: 75 gesenkt werden. In Heilbronn, einer der ersten reformierten Agenturen, widmen die Beschäftigten inzwischen den überwiegenden Teil ihrer Arbeitszeit der Vermittlung.

Obwohl also die Reform bei den Arbeitsämtern schon im Gange ist, können sie eins nicht: Jobs schaffen für ihre Klientel. Die Grenzen wurden deutlich, als vor einigen Jahren private Arbeitsvermittler flächendeckend zugelassen und dann so genannte Vermittlungsgutscheine eingeführt wurden. Die Gutscheine waren ein Flop – die privaten Arbeitsvermittler konnten für die Erwerbslosen auch keine Unternehmen aus dem Boden stampfen, die mal eben einen passenden Job zu bieten hatten.

Vielerorts, besonders im Osten, waren die Arbeitsämter daher nicht Jobvermittlungsagenturen, sondern mitunter der wichtigste Arbeitgeber vor Ort: Sie teilten AB-Maßnahmen und Kurse zu. Der Anteil dieser Ausgaben für ABM und Weiterbildung an den Beitragseinnahmen ist jedoch rückläufig und beispielsweise in den Jahren 1999 bis 2003 von 24 Prozent auf 14 Prozent gesunken – und das, obwohl besonders in den Ostregionen nach wie vor eine gravierende Unterbeschäftigung herrscht und das Wachstum stagniert.

Die alten Zeiten der BA muten dagegen paradiesisch an: Mitte der 60er-Jahre, bei Vollbeschäftigung, lag der Beitragssatz noch bei 1,3 Prozent (heute 6,5 Prozent), und trotzdem blieb am Ende des Jahres immer noch Geld übrig. Weil die Arbeitsämter zu wenig zu tun hatten, beauftragte man sie mit der Auszahlung des Kindergeldes. Bis 1969 durften erwerbslose Frauen auch nur von weiblichen BA-Beschäftigten beraten wurden. Diese Zeiten sind lange vorbei. Die Arbeitslosigkeit ist stetig angestiegen – und auch der Nachfolger Florian Gersters wird an Jobstatistiken gemessen werden, auf die er letztlich wenig Einfluss hat. BARBARA DRIBBUSCH