Bahn fährt hinter ihren Erwartungen her

Umsatz leicht angestiegen. Fahrgastzahlen seit Einführung des neuen Preissystems weit unter Erwartungen

BERLIN taz ■ Bahnchef Hartmut Mehdorn hat es nicht leicht in den letzten Tagen. Die Lokomotivführer streiken, die Kunden klagen über Verspätungen. Und alle schimpfen über das neue Preissystem. Das sei im Übrigen daran schuld, dass die Bahn immer weniger Gewinne einfahre, warfen ihm jetzt Experten vor.

Gestern sollte endlich Schluss sein mit allen Mutmaßungen. Mehdorn präsentierte dem Aufsichtrat zum ersten Mal die neuen, noch vorläufigen Geschäftszahlen für das Jahr 2002 und Stellungnahmen zu den ersten Monaten mit dem neuen Preissystem.

Danach konnte die Deutsche Bahn AG ihren Umsatz im vergangenen Jahr um bescheidene 0,2 Prozent auf 15,8 Milliarden Euro steigern. Gleichzeitg sind weniger Leute Bahn gefahren, weniger Waren auf der Schiene transportiert worden. Offiziell liest sich das so: Die Verkehrsleistung ging im Vergleich zum Vorjahr um 6,2 Prozent auf 69,848 Millionen Personenkilometer und im Güterverkehr um 2,9 Prozent auf 77,981 Millionen Tonnenkilometer zurück.

Mehdorn zeigte sich trotzdem zufrieden: „Andere Unternehmen, vor allem in der Verkehrs- und Tourismusbranche, verzeichnen zweistellige Umsatzrückgänge.“

Mehdorn war vor allem nach dem vermeintlich schlechten Start in das neue Jahr in die Kritik geraten. Das Preissystem, eingeführt Mitte Dezember, müsse nachgebessert werden, hatte zum Beispiel Norbert Hansen, Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat, im Vorfeld der gestrigen Sitzung gefordert. „Der Trend des neuen Preissystems sei positiv“, entgegnete Mehdorn gestern. Die Bahn habe in den ersten zwei Monaten dieses Jahres genauso viele Kunden wie im letzten. Der Bahnchef räumte lediglich ein, dass die Zahl der Kunden um sieben Prozent hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei. Diese hohen Erwartungen sind allerdings schon eingeplant: Bleiben die wirklichen Umsätze weiterhin darunter, könne sich das auf das gesamte Jahr hochgerechnet zu einem Verlust von 500 Milionen Euro summieren, warnen Beoabchter. Und mit derart hohen Verlusten wird der angepeilte Börsengang im Jahr 2005 immer unwahrscheinlicher.

Dass sie etwas tun muss, gibt die Bahn indirekt zu: Laut Bahn-Vorstand Christoph Franz sollen entgegen früheren Bekräftigungen nun doch Sonderangebote auf bestimmten Strecken Kunden locken. Ab der zweiten Jahreshälfte werde das neue Preissystem um „zeitlich begrenzte Aktionspreise erweitert“. Neben Preisnachlässen zählten dazu auch Kooperationsangebote mit Partnern aus der Reise- und Tourismusbranche. Hier soll vor allem der Billigflieger-Konkurrenz entgegengetreten werden. Gewerkschafter aus dem Aufsichtsrat nannten das Argument der lahmenden Konjunktur gestern „blauäugig“. HANNA GERSMANN