Der zentralisierte Patient ist in Sicht

Die Krankenkassenkarte ist passé, jetzt kommt die Gesundheitskarte – die kann alles speichern, bis zur kompletten Krankenakte. Was ab 2006 bundesweit gilt, muss vorher getestet werden. Und das bitte in Bremen, hoffen die Bremer

Bremen taz ■ Zeit, sich von „prähistorischen Prozessen“ zu verabschieden, findet Michael Lemke, Vorstand der Handelskrankenkasse (hkk), und das findet er längst. Jetzt aber scheint die Realität auch so weit. Denn wenn alles gut geht, wird Bremen Modellregion für die neue Gesundheitskarte. Diese Karte soll die bisherige Krankenkassenkarte ablösen und von 2006 für die ganze Republik gelten. Damit das funktioniert, muss das neue System vorher erprobt werden – und das bitte in Bremen, hoffen die Gesundheitssenatorin Karin Röpke (SPD) und zahlreiche Vertreter aus der Gesundheits- und IT-Branche. Die waren bei der gestrigen Präsentation so zahlreich, dass erstens die Medienmenschen eindeutig in der Minderheit waren und zweitens eine Weile brauchten, bis sie kapiert hatten, dass es sich hier keinesfalls um ein neues Projekt, sondern erst mal um die Bewerbung darum handelte. Denn außer Bremen buhlen sechs weitere Bundesländer um das vom Bundesgesundheitsministerium ausgeschriebene Pilotprogramm. Ob nun ein oder mehrere Regionen den Zuschlag bekommen, ist unklar.

Wenn Bremen zur „Telematik-Modellregion“, so der offizielle Titel der Veranstaltung, wird, können Versicherte von AOK und hkk – gemeinsam stellen sie über die Hälfte aller Versicherten im Land Bremen dar – ab dem Sommer mitmachen, freiwillig natürlich. „Niemand wird gezwungen“, betonte Karin Röpke. Datenschutz werde groß geschrieben, der Landesdatenschützer sei einbezogen.

Auf der Karte sind dann nicht nur bloße Personendaten gespeichert, sondern auch Informationen wie Allergien oder Wichtiges für den Notfall. Außerdem ist auf der neuen Karte ein Passbild vorgesehen. Sie kann aber noch viel mehr – in einer zentralen Datenbank, zu der die Gesundheitskarte des Patienten eine Art Schlüssel darstellt, können Patientendaten aller Art gespeichert werden: Medikation, Untersuchungsbefunde, vielleicht später, so hofft hkk-Vorstand Lemke, eine komplette Krankenakte. Die behandelnden Ärzte, Apotheker und Krankenhäuser, die ihrerseits eine spezielle Zugangsberechtigung für dieses Zentralregister brauchen, können auf die jeweiligen Daten zugreifen. Doppelbehandlungen könnten so vermieden, eine Menge Papierkram und noch mehr Geld gespart werden, sind sich die Beteiligten sicher. 500 Millionen Euro ließen sich jährlich allein mit dem elektronischen Rezept einsparen, gar fünf Milliarden, wenn die gesamte Patientenverwaltung auf elektronischem Wege geschehe – diese Ergebnisse zweier Studien zitierte gestern Christoph Bellmer von der am Projekt beteiligten Telekom-Tocher T-Systems und hofft auf „mittelfristig gute Schlagzeilen.“ Die wird seine Firma, die auch an der Mautfirma Toll Collect beteiligt ist, in diesem Bereich sehr wahrscheinlich bekommen: Denn T-Systems geht nicht nur mit Bremen an den Start, sondern ist auch bei der Telematik-Bewerbung von NRW dabei.

Was den Bund angeht, ist derzeit noch alles unklar: Das Berliner Ministerium definiere derzeit noch die letzten Anforderungen an das neue System und wie viel Geld wer zahlt, darum werde auch noch verhandelt. Laut Senatorin Röpke liegen die Kosten für das Pilotprojekt in dem weiten Rahmen zwischen sechs und 15 Millionen Euro. sgi