Wochenübersicht: Bühne
: Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

„Die Ziege …“, Renaissance Theater, 27. 1.–1. 2., 3./4. 2.

„Free Keiko, the Orca“, Podewil, 28./30./31. 1

Eigentlich leben wir ja in der Gegenwart. Aber weil die uns momentan besonders unübersichtlich erscheint, stürzen wir uns dauernd in irgendwelche Retro-Wellen. Diese Woche sind mal wieder die 20er-Jahre dran. In der Volksbühne befasst sich Frank Castorf mit „Kokain“, dem 1922 erschienenen Skandalroman des italienischen Journalisten Dino Segre, besser bekannt als Pitigrilli. Das Bühnenbild stammt vom deutsch-walisischen Maler und Installationskünstler Jonathan Meese und ist, wie das Theater vorab verbreitet, „ein Mittelalter und Zukunft kurzschließender Monolith“. Natürlich ist die Droge bloß Metapher, an der sich die kleinen und großen Fluchten des geplagten Individuums aus den unerträglichen Bewusstseins- und Lebensverhältnissen dieser Tage besonders gut erzählen lassen. Und das seltsame Nebeneinander von antiökonomischem Exzess und ökonomischem Kalkül. Ein rauschhaftes Nebeneinander von Recht und Unrecht kann man in Brechts „Dreigroschenoper“ beobachten, deren Aktualität uns zurzeit der Mannesmann-Prozess sowie das Auftreten von Macheath alias Josef Ackermann im Rahmen desselben beweist. Am Maxim Gorki Theater inszeniert jetzt Johanna Schall den Klassiker der Roaring-Twenties. In der Gegenwart, aber nicht unbedingt in der Realität spielt das neue Stück des Altmeisters des amerikanischen absurden Theaters „Die Ziege oder Wer ist Sylvia?“. Ein Mann hat eine außereheliche Affäre mit Sylvia. So gesehen nichts Ungewöhnliches. Bloß, dass es sich bei Sylvia offensichtlich um eine Ziege handelt. Am Renaissance-Theater inszeniert Felix Prader die deutsche Erstaufführung. Um tierisch Menschliches geht es auch in „Free Keiko, the Orca“, wo man sich mit dem Wal, der „Free Willy“ spielte, sowie der Frage befasst: was ist echt, natürlich und frei? Und im „Papiertheater für Mich“: ab Samstag „Not Beckett“.

„Dreigroschenoper“, Maxim Gorki 28./29. 1., 31. 1./1. 2.

„Kokain“, Volksbühne, ab 31. 1.