„Beginn eines radikalen Systemwechsels“

Der Beschluss der SPD-Fraktion zu Studienkonten stößt auf heftige Kritik. Studierende sprechen von Kriegserklärung, Grüne von großem politischem Fehler. Die Heinrich-Böll-Stiftung entwickelt Gutscheinmodell ohne Gebühren

Als „Kriegserklärung an die Studierenden“ hat der Asta der Technischen Universität den Beschluss der SPD-Fraktion bezeichnet, ab 2005 ein Studienkontenmodell einzuführen. Ähnlich heftige Kritik kam von den Grünen und der GEW.

Das angestrebte Studienkontenmodell unterscheidet sich nach Ansicht des Asta nicht von „einfach gestrickten Langzeitstudiengebühren“. Die Hauptargumente der Studentenvertreter gegen das SPD-Modell: Bildungsfernen Schichten werde der Zugang zum Studium noch weiter erschwert und der Verwaltungsaufwand sei enorm. Der Asta fürchtet zudem, dass die Strafgebühren in den Landeshaushalt fließen und nicht den Unis direkt zugute kommen.

In dieselbe Richtung geht die Kritik der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Studienkonten machen den Zugang zu den Unis noch stärker von der sozialen Herkunft abhängig“, sagte Ulrich Thöne. Der Landesvorsitzende der GEW sieht in der Einführung eines Studienkontenmodells den Beginn „eines radikalen Systemwechsels“. Das öffentliche Gut „Bildung“ werde zur Ware. Statt neue Barrieren für Studienanfänger zu errichten, sollten lieber die bestehenden Hürden abgebaut werden, forderte Thöne.

Die hochschulpolitische Sprecherin der Grünen, Lisa Paus, nannte Strafgebühren für Langzeitstudenten „einen großen politischen Fehler“. Schon jetzt hätten die wenigsten Studenten die Chance, ihr Studium innerhalb der „willkürklich gesetzten Regelstudienzeit“ zu beenden. Der Senat zeige einmal mehr, dass er die wesentlichen gesellschaftlichen Probleme nicht verstanden habe.

Der SPD-Landesvorsitzende Peter Strieder verteidigte daraufhin die Entscheidung seiner Fraktion. Sie sei eine „notwendige Voraussetzung für grundlegende Reformen an Berliner Unis“. Der Koalitionspartner PDS ist in puncto Studienkonten weiter gespalten. Ihr Vorsitzender Stefan Liebich hält das Modell für eine angemessene Möglichkeit, um die Einführung von Studiengebühren zu verhindern. Wie er denkt aber nicht jeder bei den Sozialisten. Sein Parteifreund Benjamin Hoff beispielsweise fürchtet, dass die Studienkonten nur die Vorhut zu richtigen Gebühren sind. Und mit dieser Meinung ist er nicht alleine.

Dass es auch ohne Studiengebühren und Studienkonten geht, zeigt die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung. Sie will dieser Tage ein eigenes Konzept zur Finanzierung der Hochschulen vorstellen. Es sieht die Ausgabe von so genannten Studiengutscheinen vor. Dazu soll ein anteilig von den Ländern finanzierter Fonds eingerichtet werden. Alle Studenten erhalten nun Gutscheine, die sie bei den Lehrveranstaltungen einlösen. Die Gutscheine werden für das Erststudium reichen und sind unbegrenzt gültig. Der Lebensunterhalt soll durch einen Bundesausbildungsförderungsfonds (Baff) finanziert werden. Er gewährt Unterstützung für ein 12-semestriges Studium, verteilt auf bis zu 16 Semester. Das Geld in dem Fonds wird von den Ehemaligen eingezahlt – einkommensabhängig über 25 Jahre hinweg.

TORBEN TRUPKE