Treckerschutz für Schülerdemo

500 Jugendliche protestieren in Lüchow friedlich gegen den Castortransport. Begleitet werden sie von atomkritischen Landwirten mit Traktoren. Und die „Republik Freies Wendland“, ein Hüttendorf aus Holz und Heu, wird wiederbelebt

„Treckerschutz für Schülerdemo“, hatten die atomkritischen Landwirte der Bäuerlichen Notgemeinschaft in einer Zeitungsanzeige versprochen. Und so rollten dann auch ein Dutzend Schlepper dem bunten und lautstarken Protestzug von rund 500 Schülerinnen und Schülern hinterher, der sich gestern durch Lüchow bewegte. Der Verkehr in der Kreisstadt brach zeitweise völlig zusammen. Die Schülerdemos sind seit Jahren der Auftakt zu den Protesten gegen Castortransporte. Die Fuhre mit elf Atommüllbehältern sollte gestern an der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague starten.

Vom „Mobilen Musik-Kampf-Wagen“ dröhnt Ska- und Rockmusik. Viele junge Leute tragen das gelbe Protest-X als Aufkleber auf der Jacke, als Kettenanhänger um den Hals, als Haarschmuck. Einige sind grell geschminkt. Eine Gruppe reckt Pappschilder in die Höhe: „Der Castor kommt, ich auch“, steht darauf. Eine Samba-Gruppe trommelt, auch ein paar Clowns der „Clowns Rebel Army“ sind gekommen.

„Es ist uns nicht egal, was mit der Welt um uns herum passiert“, ruft ein Mädchen in ein Megaphon. Ein 15-jähriger Gymnasiast sagt, „diese Demo ist heute wichtiger als Unterricht“. Von den Schulen gibt es keine Genehmigung für die Teilnahme an der Demonstration. „Aber das ist mir gleich, Konsequenzen nehme ich in Kauf.“ Dann rennt er wieder zu seiner Gruppe, die Parolen gegen den Castortransport und Atomkraftwerke skandiert.

An einer Polizeiabsperrung fliegen aus der Menge ein paar Farbeier auf die Beamten, sonst bleibt es friedlich. Erstmals führte die Route der Schüler-Demo nicht an der Lüchower Polizeikaserne vorbei. Dort war es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Rangeleien gekommen. Die neue Route sei „ein Einstieg in die Vernunft“, freut sich Einsatzleiter Friedrich Niehörster. 20 Kilometer östlich arbeiten Freiwillige an den Dächer von Häusern aus Holz und Heu. In Gedelitz, einem Nachbardorf von Gorleben, entsteht eine neue „Republik Freies Wendland“, so hatten Atomkraftgegner auch vor 28 Jahren ihr Hüttendorf genannt, mit dem gegen Bohrungen im Gorlebener Salzstock protestierten und alternatives Leben probten. Die neue „Republik“ besteht aus sieben Gebäuden, einer Passstelle und einer Küche.

Am Nachmittag wird das Camp feierlich eröffnet. Neben Kaffee und Kuchen gibt es für Bewohner und Besucher „Wendenpässe“, Journalisten erhalten einen „Wenden-Presse-Ausweis“. Auf dem Dorfplatz bemalen und beschriften Atomkraftgegner ein Stoff-Transparent. „Die Republik Freies Wendland ist ein Symbol für Bürgerengagement und demokratische Mitbestimmung“, sagt Heinrich Kranz, einer der Initiatoren. „Sie soll ein Ort sein, in dem wir alle Bürgerrechte haben, die uns beim Castortransport beschnitten oder weggenommen werden.“

REIMAR PAUL

Aktuelles und ein Live-Ticker zum Castor-Transport auf www.taz.de/castor