Arbeitnehmer-Unmut verständlich

betr.: „Es geht um angemessene Löhne“ von Martin Kannegiesser, taz vom 3. 11. 08

Herr Kannegiesser führt in seinem Artikel aus, wie eine Lohnsteigerung von 8 Prozent, die er im Schnitt mit 100 Euro mehr im Monat veranschlagt, nur zu 29 Euro mehr im Geldbeutel der Verbraucher führte. Dass die Verbraucher damit keine großen Sprünge tun und die Wirtschaft nicht im großen Maße ankurbeln können, leuchtet mir sofort ein. Was mir aber nicht einleuchten will, ist seine Schlussfolgerung, nur ein Viertel davon zu bezahlen, denn mit 7,25 Euro im Monat kann der durschnittliche Arbeitnehmer sicher noch weniger die Wirtschaft ankurbeln, als mit 29 Euro. Hätte er statt 29 Euro extra im Monat 290 Euro mehr, sähe die Lage sicher anders aus.

Noch unverständlicher für mich ist allerdings, warum der Arbeitnehmer die finanziellen Risiken, die die Unternehmen durch spekulative Aktiengeschäfte eingegangen sind, mit tragen soll, wenn er doch ganz selbstverständlich auch nicht an deren Gewinnen in den vergangenen Jahren beteiligt war. Wer in fetten Zeiten abkassiert, muss eben für magere Zeiten vorsorgen, damit er in diesen zuschießen und überleben kann.

Wenn ich dazu eine Seite vorher lesen muss, dass sich der Vorstand der Postbank eine Sonderzahlung in Höhe eines Jahresgehalts (!) genehmigt hat, dann muss ich mich nicht mehr fragen, was in der Wirtschaft schief läuft, ich muss mich nur noch wundern, wann auch Menschen wie Herr Kannegiesser das erkennen und beginnen, den Unmut der Arbeitnehmer, die ständig zurückstecken müssen, zu verstehen. BEN KETTNER, Berlin

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