Bolivianische Opposition droht mit Aufstand

Die Gewerkschaften geben dem Präsidenten eine Frist von 20 Tagen für die Erfüllung ihrer Forderungen

BUENOS AIRES taz ■ Die Uhr läuft. Unbefristeter Streik, Straßenblockaden, Vorbereitung auf die „Mutter aller Schlachten“. So lauten die Drohungen des bolivianischen Gewerkschaftsverbands (COB) gegen die Regierung von Präsident Carlos Mesa, beschlossen auf einem Sonderplenum der Organisation. Sollte der Staatschef nicht binnen 20 Tagen einen „radikalen Richtungswechsel“ einleiten, dann wollen die Gewerkschafter wieder auf die Straße gehen, erklärten sie am Wochenende.

Die Forderungen sind klar: Eine generelle Lohnerhöhung, Beendigung der Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), Verstaatlichung der Gasproduktion und die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung sollen durchgesetzt werden.

Wird Mesa diesen Forderungskatalog nicht erfüllen, läuft die Friedensfrist ab. Am 10. Februar sollen dann die Aktionen zum Sturz der Regierung beginnen. Vor etwas mehr als drei Monaten jagte eine breite Front von Gewerkschaftern, Indígena-Organisationen und Kokabauern Mesas Vorgänger Gonzalo Sánchez de Losada nach gewalttätigen Protesten aus dem Amt. Mesa, bis dahin Stellvertreter, wurde kurz darauf Präsident. Die Front der Regierungsgegner akzeptierte damals die Amtsübernahme und gab Mesa eine Frist von neunzig Tagen.

Jaime Solares, Vorsitzender der COB, sieht Mesa als gescheitert an. „Mesa ist die Fortsetzung der Regierung von Sanchez de Losada. Er beugt sich nicht nur dem Druck des IWF, sondern regiert für die Interessen der Elite.“

Doch die einstige Protestfront von vor drei Monaten bröckelt. Prominentester Abgang ist der Koka-Gewerkschafter und sozialistische Parlamentsabgeordnete Evo Morales, der einst die Aufständischen anführte. Er unterstützt jetzt Mesa und sogar dessen Forderung nach einem Zugang Boliviens zum Pazifik. Hierzu müsste Chile freiwillig Land abtreten, wozu die Regierung in Santiago natürlich nicht bereit ist.

So sehen viele den Konflikt mit Chile als Ablenkungsmanöver der Regierung an. „Und Morales ist heute Teil der Regierung“, sagt Roberto de la Cruz, Anführer der Gewerkschaften in der Stadt El Alto, dem einstigen Eipzentrum der Proteste, enttäuscht. De la Cruz bleibt radikal. Er will eine „Neugründung“ Boliviens. Dazu gehören die Auflösung des Parlaments und die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung. Doch sämtliche im Parlament vertretenen Parteien stemmen sich gegen diesen Vorschlag.

Trotz dieser Widerstände und trotz des Verlustes einer wichtigen Führerfigur ist die Protestbewegung stark. Selbst bei einer Niederlage jetzt ist eine neue Kraftprobe mit der Regierung programmiert. Am 24. März sollen die Bolivianer nämlich über den Export von bolivianischem Erdgas nach Mexiko entscheiden. INGO MALCHER