Damenopfer auf dem grünen Rasen

Der Fußballclub Tennis Borussia Berlin ist zahlungsunfähig, strebt eine vorläufige Insolvenz an. Um das in die viertklassige Oberliga abgerutschte Herrenteam zu retten, müsste die Frauen-Elf des Vereins zwangsweise aus der Bundesliga absteigen

von MARCUS VOGT

Vor gerade einmal drei Jahren träumte der damalige Vorsitzende von Tennis Borussia Berlin noch vom Wiederaufstieg in die Fußball-Bundesliga. Möglichst bald sollte es gar in die lukrative Champions League gehen, mit Gegnern wie Real Madrid oder Inter Mailand, hoffte Erwin Zacharias. Rund 80 Millionen Mark soll der Chef des Finanzkonzerns „Göttinger Gruppe“ über mehrere Jahre verteilt in den Verein gepumpt haben. Allein für das Rahmenprogramm bei den Zweitligaspielen wurde rund eine halbe Millionen Mark per Saison ausgegeben, um die Fans auch mit Schlagerstars wie Bernhard Brink zu unterhalten.

Verglichen damit klingt die Summe von 100.000 Euro geradezu lächerlich. So hoch ist laut Finanzvorstand Peter Antony nach Abzug aller Außenstände das aktuelle Etatloch, die 48.900 Euro bereits eingerechnet, die Vereinsmitglieder sammelten. Und dennoch steckt TeBe nun richtig im Schlamassel. Denn der Verein, bei dem einst die Samba-Truppe des alternativen Kulturzentrums Ufa-Fabrik für Stimmung auf der Tribüne sorgte, ist nach finanzieller und sportlicher Krise längst in die viertklassige Oberliga gerutscht. Und da sind auch 100.000 Euro ein gehöriges Problem.

Allein mit fast 50.000 Euro steht TeBe bei der Berufsgenossenschaft in der Kreide, doch laut Antony ist ein Erlass möglich. „Es ist alles völlig ungeklärt, auch ob man wegen 100.000 Euro Insolvenz anmeldet“, beschreibt der abgetretene Vorstandsvorsitzende und aktuelle Hauptsponsor Axel Lange die Situation. Denn wie 215 Mitglieder Mittwochabend bei einer Versammlung erfuhren, können die Lila-Weißen mit einem blauen Auge davonkommen: durch die so genannte vorläufige Insolvenz. Wann die von dem zahlungsunfähigen Verein beantragt wird, um den sportlichen Betrieb aufrechtzuerhalten, soll nun der neu gewählte Aufsichtsrat entscheiden.

Mit diesem Schritt könnten die Forderungen der Gläubiger minimiert und zumindest die erste Herrenmannschaft gerettet werden. Die würde ausgerechnet von dem sportlichen Absturz der letzten Jahre profitieren. Denn laut der 2001 eingeführten DFB-Satzung muss bei einer Insolvenz nur das ranghöchste Team eines Vereins zwangsabsteigen. Das wäre bei TeBe aber die Damenmannschaft, die in der Frauenbundesliga auf dem vorletzten Tabellenplatz herumdümpelt und somit kaum Argumente gegen die Notschlachtung vorbringen kann. Außer dass die Elf von Trainerin Gaby Wahnschaffe sich seit Jahren finanziell eigenständig über Wasser hält. „Die Frage drängt sich doch auf: Brauchen die uns als Frauenabteilung oder als Opfer“, schnaubt Wahnschaffe.

Das Damenopfer lässt sich möglicherweise verhindern, wenn der am Mittwoch neu gewählte Aufsichtsrat um Geschäftsmann Willi Kausch das fehlende Geld sowie Sponsoren auftreiben kann – und endlich bei TeBe vernüftig geplant und gewirtschaftet würde. Denn das jetzige Chaos ist kaum nur auf Altlasten der „Göttinger Gruppe“ zu reduzieren.

So wurde rund um die „finale Flurbereinigung“, von der Lange gerne sprach, munter weiter dilettiert. Da erwies sich der mit 500.000 Euro veranschlagte Saisonetat als zu hoch, weil weniger Einnahmen reinkamen als erwartet. Wie die utopischerweise einkalkulierten 250.000 Euro, die der Club für zwei 1999 in die Türkei verkaufte Spieler bis vor kurzem noch als „nicht bezahlt“ deklarierte. Davon ist jetzt ein Teil in den Vereinsbüchern aufgetaucht, der Rest versickerte angeblich in den Taschen eines Spielervermittlers.